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Die Pest Zu London

Die Pest Zu London

Titel: Die Pest Zu London Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Defoe
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mag sein, neben dem Grab, in das er ihn eben hinabwerfen wollte; und diese Verwirrung war größer in der City, weil sie sich da mit der Hoffnung geschmeichelt hatten, sie seien schon entkommen und die Bitternis des Todes sei vorbei. Ein Totenkarren, so erzählte man uns, der nach Shoreditch herauffuhr, wurde von den Fuhrleuten im Stich gelassen, oder der eine, der noch übrig war, starb auf dem Weg, und die Pferde zogen weiter, warfen den Karren um, und die Leichen blieben liegen, hierhin und dorthin in gräßlicher Art verstreut. Ein anderer Totenwagen wurde, scheint es, in dem großen Massengrab in Finsbury Fields gefunden; der Fuhrmann war tot oder hatte sich davongemacht, und die Pferde waren zu nahe herangelaufen, so daß der Wagen hineinfiel und auch die Pferde mit hinunterzog. Es wurde die Meinung vertreten, der Fahrer sei auch mit hineingestürzt und der Wagen sei über ihn gefallen, weil man nämlich seine Peitsche unter den Leichen sehen konnte; aber das war wohl, nehme ich an, nur so eine Mutmaßung.
In unserer Aldgate Pfarre hat man mehrere Male, so habe ich gehört, die Totenkarren voll mit Leichen beladen am Friedhofstor stehen sehen, aber weder Glöckner noch Kutscher noch sonst jemand war dabei; in so einem Fall, wie auch in vielen anderen, wußte niemand, wieviele Tote man in dem Karren hatte; sie wurden ja auch bisweilen mit Stricken von Balkonen und von Fenstern hinabgelassen; und manchmal waren es die Totenträger, manchmal andere Leute, die sie zu dem Karren schafften; und, wie die Männer selber zugaben, niemand kümmerte sich darum, die genaue Zahl festzustellen. Die Wachsamkeit der Behörden wurde jetzt auf die härteste Probe gestellt, und das, so muß man offen sagen, kann auch bei dieser Gelegenheit gar nicht genug Anerkennung finden; welche Anstrengung sie auch immer dafür aufwenden mußten, zwei Dinge wurden niemals vernachlässigt, weder in der City noch in den Vororten:
1. Lebensmittel waren immer in ausreichender Menge zu haben, und auch ihr Preis war kaum nennenswert erhöht. 2. Keine Leichen blieben unbeerdigt oder unbedeckt liegen; und wenn man von einem Ende der Stadt zum andern ging, so konnte man zur Tagzeit kein Leichenbegängnis oder eine Spur davon sehen, mit wenigen Ausnahmen, wie ich oben sagte, in den drei ersten Septemberwochen.
Dieser letzte Punkt wird vielleicht kaum Glauben finden, wenn man auf die Berichte schaut, die andere seither veröffentlicht haben und in denen sie davon sprechen, daß die Toten unbegraben liegenblieben, was mit Bestimmtheit völlig falsch ist; jedenfalls muß es, wenn es irgendwo vorgekommen ist, in Häusern gewesen sein, wo die Lebenden die Toten verlassen hatten, nachdem sie Wege gefunden hatten, wie ich bemerkt habe, zu entweichen, und wo darum den Beamten keine Meldung erstattet worden war.
Aber all das hat in diesem Fall nichts zu bedeuten; denn das weiß ich ganz gewiß, da ich doch selbst ein wenig dieserhalb in meiner Pfarre zur Aufsicht herangezogen wurde – und die Verheerungen, die die Pest dort anrichtete, waren im Verhältnis zur Einwohnerzahl ebenso groß wie irgendwo sonst – ich sage, ich weiß es gewiß, daß es keine Leichen gab, die unbestattet blieben; das heißt keine, von denen der zuständige Beamte wußte; keine, aus Mangel an Leuten, die sie wegschafften, und an Bestattern, die sie in die Erde brachten und zudeckten; und das mag für diesen strittigen 2. Punkt genügen; denn wenn etwas liegengeblieben sein mag, in Häusern und Löchern wie in der Moses-und-Aaron-Gasse, so hat das nichts zu sagen; denn es ist vollkommen sicher, daß sie beerdigt wurden, sobald sie nur gefunden wurden. Was den ersten Punkt betrifft, nämlich den über die Lebensmittel und deren Knappheit und Teuerung, so muß ich, obwohl ich schon vorher davon gesprochen habe und es später wiederum tun werde, dennoch folgendes hier bemerken:
1. Besonders der Brotpreis war kaum erhöht; denn zu Anfang des Jahres, nämlich in der ersten Märzwoche, wog das PennyWeizenbrot zehnundeinhalb Unzen; und zur Zeit des Höhepunktes der Seuche bekam man es mit neunundeinhalb Unzen, und teurer wurde es nie, nein, den ganzen Sommer über nicht. Und zu Anfang November wurde es wieder mit zehnundeinhalb Unzen verkauft; dergleichen, glaube ich, hat man bisher noch nie und in keiner Stadt gehört, bei einer so furchtbaren Heimsuchung.
2. Auch gab es (worüber ich mich sehr wunderte) keinen Mangel an Bäckern oder Backöfen, die für die Versorgung der Bevölkerung mit

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