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Die Pestärztin

Titel: Die Pestärztin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ricarda Jordan
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Orient.
    Clemens würde ihn als Erstes nach Haschisch fragen ...
    Lucia musste bei dem Gedanken beinahe lächeln. Sie sah Clemens' klare Züge, seine klugen, warmen Augen fast deutlicher vor sich als das Gesicht dieses Mannes, der sie eben so höflich begrüßte und dabei etwas länger ansah, als es für einen jüdischen Mann schicklich war, der gerade einer verheirateten jüdischen Frau vorgestellt wurde ... einer verwitweten jüdischen Frau. Aber das machte wohl kaum einen Unterschied.
    Kahlbach bemerkte ihre Missbilligung und wandte den Blick ab. Er hatte lange Wimpern. An David hatte ihr das damals gefallen; bei diesem Mann aber wirkte es seltsam weibisch und wollte zu seiner starken Gestalt und den scharf und klar geschnittenen Lippen kaum passen. Lucia senkte die Augen, bevor auch sie Gefahr lief, den Mann anzustarren. Allerdings musste sie mehr über ihn erfahren. Zacharias hatte angedeutet, es sei sinnvoll, ihm ihr frisch erworbenes Geld zwecks erneuter Investition zu überlassen. Aber Lucia war sich keineswegs sicher, ob sie ihm oder überhaupt jemandem trauen sollte.
    Immerhin legte er jetzt gewissenhaft Zeugnis darüber ab, wie viel Geld er von Zacharias Levin und Benjamin von Speyer erhalten und wo er es investiert hatte. Er berichtete von den Schwierigkeiten der Schiffsreise, bei der sie zum Glück von Piratenüberfällen verschont geblieben waren, aber etliche Zölle hatten zahlen müssen, und händigte schließlich sowohl Zacharias als auch Lucia einen ordentlichen Gewinn aus. Für Lucia war es ein kleines Vermögen in echten Goldstücken. Ihr Instinkt riet ihr, es zu behalten und unter dem Strohsack in ihrem Bett zu verwahren. Aber so ging es natürlich nicht. Die Tochter eines jüdischen Kaufmanns würde ihr Geld nie einfach irgendwo verstecken! Lucia hörte also aufmerksam zu, während Abraham von Kahlbach ihrem Onkel neue Investitionsmöglichkeiten schilderte.
    »Ihr könnt das Geld natürlich in eine Reise meines Bruders nach Flandern stecken. Gent, Maastricht ... Ziemlich ungefährlich, aber der Verdienst wird auch nicht hoch sein. Ich selbst plane eher eine Reise in den Maghreb und die Osmanischen Reiche. Gewürze erzielen zurzeit beste Preise, ein Pfund Pfeffer ist so viel wert wie ein gutes Pferd.«
    »Bezieht man Gewürze nicht über Venedig?«, erkundigte sich Lucia. Sie war es leid, dass von Kahlbach sich lediglich an Levin wandte. Schließlich ging es auch um die Investition ihres Geldes, aber er schien selbstverständlich anzunehmen, dass ihr Onkel darüber verfügte.
    Deshalb blickte er jetzt auch ein wenig erstaunt zu ihr hinunter. Lucia hatte sich auf einen Schemel am Feuer gesetzt. Mehr als zwei hohe Stühle bot das Kontor nämlich nicht, und keiner der Männer hatte sich die Mühe gemacht, ihr einen davon anzubieten.
    »Das stimmt, Frau Lea, ich bewundere Eure Kenntnisse«, meinte Kahlbach. Es klang beinahe herablassend, obwohl sein Blick Interesse spiegelte.
    »Ich war mit einem Fernhandelskaufmann verheiratet!«, erinnerte Lucia. »Und mein Vater führte ein großes Unternehmen. Ich weiß durchaus, woher man Güter bezieht, Reb Kahlbach!«
    Wie um es zu beweisen, führte sie an, was die Speyers aus Prag und Wien, von der Brabanter und Frankfurter Messe eingehandelt und ausgeführt hatten.
    Kahlbach nickte. »Selbstverständlich, Frau Lea. Aber die Verdienstspannen sind natürlich höher, wenn man die Güter direkt in den Herkunftsländern einkauft. Man kann die Qualität dann auch gleich prüfen ...«
    »Aber das Risiko ist auch höher, dabei eine ganze Warenlieferung zu verlieren oder gar das eigene Leben. Ich habe mich stets um meine Brüder und meinen Ehemann gesorgt, wenn sie auf Reisen gingen.« Lucia tupfte sich die Augen, obwohl sie nicht wirklich weinen musste. Weder sie noch Lea hatten sich überhaupt vor irgendetwas gefürchtet, als sie im Haus der Speyers lebten. Besonders Lea hatte ihren Vater und ihre Brüder stets für unverwundbar gehalten und ihrem Ehemann eher für sein Ausbleiben gezürnt, als sich um ihn zu ängstigen. Aber sie wusste von Clemens, der ebenfalls weit gereist war, welche Gefahren die Straßen boten. Auch für Männer und erst recht für Juden.
    »Es steht einer Frau gut an, hier vorsichtig zu sein«, sagte Kahlbach und lächelte. Das Lächeln machte sein Gesicht weicher; er hätte fast sympathisch gewirkt, wäre sein Blick weniger herablassend gewesen. »Aber wer nicht wagt, der nicht gewinnt! Und ich habe große Erfahrungen im Umgang mit Arabern

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