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Die Pestärztin

Titel: Die Pestärztin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ricarda Jordan
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Gewöhnlich waren es Mietshäuser, kaum behaglicher als die Mainzer »Buden«. Der Ritter konnte also nicht zu den reichsten seines Standes zählen, wenn er wirklich dort Quartier genommen hatte. Andererseits mochte es kaum anders sein, wenn dies sein kürzester Weg zum Turnierplatz war.
    Inzwischen waren auch noch zwei weitere Ritter hinter ihm aufgetaucht, beide mit ihren Knappen, die ein Ersatzpferd führten. Adrian von Rennes dagegen war allein. Aber vielleicht war sein Knappe ja schon zum Turnierplatz vorausgeritten.
    »Los, Kerl, mach auf!«
    Die Neuankömmlinge wandten sich weitaus weniger höflich an den Stadtwächter als Adrian von Rennes. Dabei hatte dessen Intervention bereits Erfolg gehabt. Die Männer zogen das Tor hoch.
    Die Ritter wollten daraufhin sofort hindurchsprengen, während die Stadtwächter ihre Helmbarten vor den jüdischen Bürgern aufpflanzten.
    Adrian von Rennes hielt seine Freunde allerdings auf, wobei in seinen Augen mutwillige Funken tanzten. Er wusste ganz genau, dass die Stadtwächter die Bürger weiter schikanieren würden, nachdem die Ritter den Eingang passiert hatten.
    »Wir mögen es alle eilig haben, meine Herren«, wandte er sich in feiner Rede an die Herren seines Standes. »Aber das ist nun doch kein Grund, die Regeln des Frauendienstes zu missachten! Lasst also die Damen zuerst durchs Tor, wie es sich gebührt!«
    Damit deutete er eine Verbeugung vor Lucia und den anderen Frauen an, die vor dem Tor warteten. Die fliegenden Händlerinnen mit ihren Bauchläden liefen vor Scham, aber auch Begeisterung rot an, und Daphnes Blick wurde anbetend. Die Kleine würde wahrscheinlich noch wochenlang von diesem edlen Ritter schwärmen. Lucia ihrerseits erwiderte das Nicken und den mutwilligen Blick, obwohl sie nicht annahm, dass der Ritter sie bemerkte. Adrian von Rennes dachte vermutlich nur an den bevorstehenden Kampf; seine Hilfe für die von der Obrigkeit malträtierten Bürger war nur eine Geste am Rande.
    Der Ritter ließ seinen Fuchs denn auch sofort angaloppieren, als er hinter den Frauen das Tor durchritten hatte, achtete aber darauf, genügend Abstand zu halten und die Fußgänger nicht zu erschrecken. Die anderen Ritter folgten ihm lachend und unter Neckereien: »Unser Troubadour! Wo immer er eine Frau sieht, regt sich die Minne. Er kann gar nicht anders!«
    »Wenn sich beim Anblick dieses Schnuckelchens nur die Minne rührt und nichts anderes, dann tut er mir leid!«, stichelte der Zweite und wies auf Lucia, die daraufhin rot anlief. Sie hätte beinahe etwas erwidert, doch die Männer waren schon vorbei, ehe sie sich zu einer solchen Dummheit hinreißen lassen konnte. Eine Bürgerin richtete nicht ungefragt das Wort an einen Ritter - und erst recht würde sie niemals wagen, ihn zu tadeln!
 
    Abraham von Kahlbach wartete kurz hinter dem Tor. Er hatte die Stadt - wohlweislich, wie Lucia jetzt erkannte - durch ein anderes verlassen. Lucia war kurz davor, ihren Ärger an ihm auszulassen. Schließlich hätte er sie warnen können. Aber dann hielt sie sich auch hier zurück. Kahlbach war freundlich und ritterlich und half Daphne eben mit der Manier eines Edelmannes auf den Bock seines Wagens. Es gab keinen Grund, ihm gleich zu Beginn den Tag zu verderben, zumal der Umweg zu einem anderen Tor eine erhebliche Wegstrecke und in ihrem Zustand eben auch eine schwere Belastung bedeutet hätte.
    »Gestattet mir, Euch hinaufzuheben, Frau Lea«, meinte er jetzt. »Oder lasst mich Euch wenigstens stützen. Dieser Wagen ist recht hoch, und Ihr solltet nicht stürzen!« Kahlbach bot ihr freundlich seine Hand, und Lucia erlaubte ihm widerstrebend, ihr zu helfen.
    »Euer Kind wird nun bald zur Welt kommen«, bemerkte er, als sie schließlich neben ihm saß. »Und kurz danach ist auch Euer Trauerjahr zu Ende. Habt Ihr Euch ... meinen Vorschlag noch mal durch den Kopf gehen lassen?« Der Mann wählte seine Worte sehr vorsichtig und schien fast schüchtern, aber Lucia glaubte ihm die Zurückhaltung nicht so recht. Irgendetwas sagte ihr, dass hinter der Fassade dieses braven, rechtschaffenen Juden ein Raubtier lauern mochte. Von Kahlbach kannte sie jetzt seit mehr als einem halben Jahr. Sie hatte sich ihm widersetzt, ihm widersprochen ... ganz sicher hielt er sie nicht für eine brave jüdische Frau, die sich nur um Haushalt und Kinder kümmerte, wie seine verstorbene Batya. Die Frauen tuschelten, dass Batya eine Orientalin gewesen sei - Jüdin natürlich, doch so sehr in den arabischen Traditionen

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