Die Pestärztin
inzwischen mit ihrer höfischen Minne? Ich meine ... der Gemahl der Dame sitzt neben ihr!«
Der Herold zuckte die Schultern. »Mich dürft Ihr nicht fragen, mich hat diese Angelegenheit nie gereizt. Aber es soll ja nicht mehr als ein Spiel sein: Der Ritter berichtet seiner Dame von seinen Taten, und sie lobt oder tadelt ihn. Mit Liebe hat das angeblich gar nichts zu tun. Aber in diesem Fall ... wenn man da mit im Ring steht, Meister Kahlbach, müsste man schon taub und blind sein, um das Blitzen in den Augen der Herrin Elisabeth und die Hingabe in der Stimme des Ritters nicht zu erkennen.«
Der Mann hob vielsagend die Brauen und begab sich dann wieder an seinen Platz, um die nächsten Kämpfer anzukündigen.
Adrian von Rennes nahm sein Pferd in Empfang und ritt vom Platz, wobei er Daphne furchtbar enttäuschte, indem er keinerlei Notiz von ihr nahm. Lucia warf einen prüfenden Blick auf die goldene Kette. Sie hatte in den letzten Monaten öfter in der Pfandleihe ausgeholfen und wusste den Wert von Gegenständen einzuschätzen. Diese Kette war ein kleines Vermögen wert. Entschieden zu kostbar, um als »Aufmerksamkeit« der Dame für ihren Ritter durchzugehen.
In den nächsten Stunden wechselten aber noch viele kleine Schmuckstücke und andere Wertgegenstände von den Händen edler Frauen in die der kämpfenden Ritter. Es schien durchaus üblich zu sein, die Minneherren reich zu beschenken, auch wenn die Ehemänner der Damen dabei mitunter säuerlich guckten.
Abraham erklärte Lucia und Daphne, dass dies zu den üblichen Einkünften eines fahrenden Ritters gehörte.
»Diese Kerle haben ja nicht viel ...« Er äußerte sich ähnlich abwertend wie gestern Zacharias. »Meistens sind es jüngere Söhne von niederem Adel. Die schickt man als Knappen an irgendeinen Hof. Da feiern sie dann nach ein paar Jahren ihre Schwertleite, und wenn der Herr nicht ganz kniepig ist, beschenkt er sie mit einer Rüstung und einem Pferd. Damit müssen sie sich durchschlagen, im wahrsten Sinne des Wortes. Wenn gerade ein Krieg stattfindet, haben sie Glück: Falls sie am Leben bleiben, machen sie Beute. Und sonst ziehen sie von Hof zu Hof, verdingen sich mal hier, mal da als Ritter - aber dabei verdient man nichts, das tut man um der Ehre willen und um nicht zu verhungern! Ein Ritter findet an jedem Hof einen gedeckten Tisch, zumindest für kurze Zeit. Die nutzt er dann möglichst, um sich beim Burgherrn oder seiner Gattin unentbehrlich zu machen.«
Der Herold, der sich eben wieder zu ihnen gesellte, während die nächsten Ritter kämpften, lachte über Kahlbachs knappe Schilderung.
»Ihr bringt es auf den Punkt, Meister Kahlbach!«, bemerkte er. »So manchem Schönling, der dann auch noch gefällig die Laute zu schlagen vermag, fällt es sehr viel leichter, Gehör bei der Gattin zu finden! Allerdings kann er an den Minnehöfen nicht endlos bleiben. Ob ein Ritter für längere Zeit an einem Hof aufgenommen wird, entscheidet der Herr, nicht die Herrin! Die Dame mag ihre Favoriten reich beschenken, aber letztlich schickt sie jeden irgendwann weg, um >ihr zu Ehren< Abenteuer zu bestehen.«
Kahlbach nickte. »Das wichtigste Ziel eines fahrenden Ritters«, fügte er hinzu, »ist der Erwerb eines Lehens. Dann kann er sesshaft werden und heiraten. Aber das gelingt den wenigsten, Frau Lea. Die allermeisten sterben jun g.«
Lucia musste an diese Worte denken, als Adrian von Rennes eine Stunde später erneut in die Bahn ritt. Diesmal begleitete ihn ein anderer junger Mann als Knappe; er schien also wirklich keinen eigenen mit sich zu führen. Aber er brauchte wohl auch nicht viel Hilfe. Wieder warf er den Gegner beim ersten Lanzenstechen elegant vom Pferd, wobei der Mann sich offensichtlich verletzte. Sein linker Arm hing schlaff herunter, und er bewegte sich, als litte er Schmerzen. Trotzdem focht er tapfer, und als er schließlich aufgab, ließ Herr Adrian sich zwar zum Sieger erklären, gab aber durch den Herold bekannt, dass er dem Verlierer sein Pferd und seine Rüstung ließe. Er wolle nicht von dessen Missgeschick profitieren. Die Zuschauer auf der Ehrentribüne applaudierten, und die Herzogin beschenkte diesmal beide Ritter.
Der Herzog schaute noch widerwilliger drein als bei Adrians erstem Sieg, und auch eine ältere Dame, die zwischen zwei sehr jungen Herren unter dem Ehrenbaldachin saß, blickte missmutig.
»Die Herzoginmutter, Margarethe von Holland«, verriet der junge Knappe der kleinen Daphne. Er schien sich wirklich
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