Die Pestärztin
entschlossen zu haben, heute den »Frauendienst« an ihr zu üben. »Die Männer an ihrer Seite sind ihre Söhne, Herzog Wilhelm und Herzog Albrecht. Sie teilen sich das Erbe mit Herrn Stephan.«
Lucia wunderte sich. Wenn sie bislang von »den Herzögen« hatte sprechen hören, hatte sie stets an drei gestandene Männer gedacht. Herzog Wilhelm war jedoch in ihrem Alter, und Albrecht noch deutlich jünger. Kein Wunder, dass ihre Mutter bei ihnen blieb, um ihre Interessen gegenüber ihrem viel älteren Halbbruder Stephan zu vertreten. Obwohl immer wieder Rufe aus Holland an sie ergingen, ihre dortigen Besitzungen endlich wieder selbst zu verwalten.
Mit der jungen Herzogin, Elisabeth, schien Frau Margarethe jedenfalls keine enge Freundschaft zu verbinden. Die Frauen richteten nie das Wort aneinander, und auch ihre Hofdamen schienen einander zu meiden.
Lucia fand es inzwischen fast interessanter, die Damen auf der Tribüne zu beobachten, denn den immer gleichen Kämpfen zu folgen. So vermerkte sie die Unterschiede zwischen den beiden Gruppen aufs Deutlichste. Hier Elisabeth, prächtig gekleidet, das lange, dunkle Haar aufgesteckt und mit Juwelen geschmückt, aber nicht durch einen Kopfschmuck verdeckt, gekleidet in ein weinrotes, tief ausgeschnittenes Seidenkleid mit modisch weiten Ärmeln, und ihre ähnlich kostbar gewandeten Hofdamen. Da Margarethe: das Haar versteckt unter einem altmodischen Gebände, über dem sie nur einen kostbaren Schepel trug, einen Reif aus schwerem Gold. Margarethes Gewand war dunkel und nonnenhaft schlicht; ihre Hofdamen kleideten sich ähnlich unauffällig. Während Elisabeth vor allem mit ihren Mädchen lachte und plauderte, richtete Margarethe das Wort fast nur an ihre Söhne, mit denen sie oft zu zanken schien.
»Herzog Wilhelm und Herzog Albrecht hätten lieber mitgekämpft als zugesehen«, verriet der Knappe Daphne. »Herr Albrecht hat gerade im letzten Jahr seine Schwertleite gefeiert und brennt darauf, sich zu erproben. Aber Frau Margarethe will das nicht. Sie hat Angst, ihre Söhne könnten sich in Gefahr bringen.«
»Sind sie denn gute Kämpfer?«, erkundigte Daphne sich eifrig. Die Kleine hatte sich zwar in Adrian von Rennes verliebt, aber die blonden jungen Herzöge auf der Ehrentribüne, kostbar gewandet und mit schweren Ketten und Ringen geschmückt, hätten ihr wohl auch gefallen können. »Könnten sie Herrn Adrian besiegen?«
Der Knappe lachte. »Sie sind recht gute Kämpfer, aber so gut nun auch wieder nicht«, meinte er. »Einen Herrn Adrian könnte höchstens Herzog Stephan besiegen. Aber der kämpft auch nicht mit. Was eine weise Entscheidung ist. Würde er schließlich auf eigenem Platz gewinnen, so könnten die anderen Ritter den Herolden vorwerfen, ihn bevorzugt zu haben. Und verlöre er, so ginge es ihm gegen die Ehre.«
Aber immerhin könnte seine Gattin dann vielleicht auch ihm ab und zu einen Preis übergeben, dachte Lucia müßig. Dann brauchte er sich nicht derart über sie zu ärgern. Elisabeth, eine große, aber zarte Frau mit madonnenhaft schönen Gesichtszügen, überreichte gerade wieder mal ein Geschenk an einen jungen Ritter, während Stephan böse das Gesicht verzog.
Lucia war dankbar für den Becher Wein und den Krapfen, den Abraham von Kahlbach ihr um die Mittagszeit anbot. Es war warm, ungewöhnlich für April, und sie spürte wieder, wie das Kind sich in ihr regte. Nachdem sie gegessen hatte, wurde ihr auch ein wenig übel - vielleicht sollte sie versuchen, sich von jemandem mit zurück in die Stadt nehmen zu lassen. Andererseits wollte sie auch
wissen, wer diesen Wettkampf gewinnen würde. Sie vergaß ihre Schwäche, als Adrian ein drittes Mal in die Schranken ritt.
Diesmal war es ein stärkerer Gegner, ein untersetzter Mann auf einem schweren Schimmel. So langsam wurden die Kämpfe auch insgesamt interessanter, da inzwischen nur noch die besten Ritter im Spiel waren. Adrian verlor diesmal den Tjost; beim zweiten Versuch schickte sein Gegner ihn in den Sand. Der anschließende Schwertkampf gestaltete sich als zähes Ringen, doch Adrians Geschicklichkeit triumphierte schließlich über die Kraft des anderen. Aufatmend trat der junge Ritter ein drittes Mal vor die Ehrentribüne.
Der Herold verkündete, dass er sich mit diesem Kampf für die letzte Runde qualifiziert hatte. Adrian nahm erleichtert den Helm ab. Er wirkte jetzt nicht mehr so lebhaft und frisch wie am Morgen, sondern erschöpft, sein Gesicht schien schmaler und war
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