Die Pestärztin
aber bestimmt Einhalt.
»Wir dürfen das nicht, David! Dein Glaube schreibt dir vor, dies nur mit der dir angetrauten Ehefrau zu tun, und auch ich will meine Jungfernschaft für meinen Gatten bewahren«, sagte sie förmlich.
David zog sie in seine Arme und hielt sie im Schoß wie ein Kind.
»Aber du sollst meine Gemahlin werden! Ich will kein anderes Mädchen, ich will dich! Und du ...«
Lucia schüttelte den Kopf. »David, das geht nicht! Das weißt du doch auch! Du musst eine Jüdin zur Frau nehmen, ansonsten wird deine Familie dich verstoßen. Und was machst du dann? Zum Christentum übertreten? Ansonsten darf ich dich nämlich auch nicht freien! Das sind Träume, David, nicht mehr!«
»Und wenn ich es täte?«, fragte David trotzig. »Wenn ich mich taufen ließe? Würdest du mich dann nehmen?«
»Und deinen Eltern damit die Wohltaten vergelten, die sie mir getan haben? Das wäre ein rechter Dank!«, meinte Lucia bitter.
Ein Übertritt eines ihrer Mitglieder zum christlichen Glauben wurde in jüdischen Familien betrachtet wie sein Tod. Die Eltern beweinten den verlorenen Sohn; man saß Kaddisch für ihn, verhängte die Spiegel und trauerte.
»Lucia, denk nicht an meine Eltern! Denk an uns! Siehst du nicht, welches Geschenk ich dir machen will? Ich liebe dich, Lucia, ich liebe dich mehr als mein Leben!«
Lucia lächelte. Es war schön, sich so geliebt zu fühlen. Aber wie bald mochte David es bereuen!
»Wir sollten jetzt aufbrechen«, meinte sie ausweichend. »Sonst kommst du nicht vor dem Mittagsgebet zu den Mönchen am Michelsberg, und wenn wir warten müssen, wird es knapp mit der Heimkehr.«
Widerwillig half David ihr, die Reste des Mahls zusammenzupacken, und machte schließlich Anstalten, das Mädchen wieder auf Leas Stute zu heben.
»Aber du versprichst mir, darüber nachzudenken?«, fragte er, begierig wie ein Kind. »Du sagst nicht gleich Nein?«
»David, ich denke jede Nacht an dich«, tröstete ihn Lucia. »Ich wünschte mir so sehr, dir nahe zu sein. Aber ich sehe keine Lösung ...«
»Ach, warte es ab!«, meinte David. Lucias sanfte Worte ließen ihn zu seinem Optimismus zurückfinden. »Meine Liebe zu dir ist so hoch wie der Himmel, aber deine ist noch ein zaghaftes Pflänzchen, ich sehe es jetzt ein. Doch mit der Zeit wird es wachsen, Lucia! Es wird groß und stark und sicher sein, und eines Tages wird es den Himmel berühren!« Er küsste sie noch einmal, aber jetzt nicht mehr zaghaft und tastend, sondern fordernd und kraftvoll. Lucia erwiderte den Kuss und spiegelte erstmals ganz seine Leidenschaft.
David lächelte triumphierend, als er sein Maultier in Gang setzte.
Sie erreichten das Kloster vor der Nachmittagsruhe; die Gebete der Non waren gerade verklungen. Lucia wartete vor dem Konvent, vollständig verhüllt von ihrem Cape, und David hielt sich nicht auf. Er gab nur den Stoff ab, nahm ein Säckchen Mainzer Pfennige an sich und kam dann gleich wieder heraus, bereit, den Heimweg anzutreten. Sie ritten jetzt schneller, und Lucia genoss den weichen Gang der Scheckstute. Lea hatte nicht übertrieben, dies war ein fürstliches Geschenk. Salomon Levin, der Onkel aus Landshut, musste überaus begütert und großzügig sein.
Auch der erneute Austausch der Mäntel mit Lea funktionierte reibungslos. Als die Meisterin und der Schneider die Kirche betraten - Erstere in heller Aufregung über ihr verschwundenes Lehrmädchen -, kniete Lucia schon in ihrer bevorzugten Bank.
»Ich bin gleich hergekommen, Frau Meisterin, und vorher war ich noch in Sankt Christophs. Manchmal spüre ich den Drang in mir, etwas Zeit allein mit ... im, äh ... Gespräch mit dem Herrn Jesus und seiner Heiligen Mutter zu verbringen. Da dachte ich ...«
»Du warst den ganzen Nachmittag in der Kirche?«, fragte die Schraderin argwöhnisch.
Lucia nickte. »Ihr könnt den Pfarrer von Sankt Christophs fragen«, erklärte sie gelassen. »Vielleicht hat er mich ja gesehen!«
Das gute Gelingen dieses Streichs regte Lea natürlich gleich dazu an, weitere heimliche Treffen zwischen ihrer Freundin und ihrem Bruder zu organisieren.
Immer öfter verbrachte Lucia jetzt angeblich Teile des Sonntags bei der Küferin und ihren Kindern, oder sie erging sich in stillem Gebet in verschiedenen Kirchen und Kapellen der Stadt. Lea hielt dort brav die Stellung, während Lucia mit David über Land ritt oder auch mal ein paar Stunden im Kontor des Eliasar ben Mose verbrachte. Letzteres gefiel ihr nicht so, obwohl David ihnen ein Lager
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