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Die Pestmagd

Titel: Die Pestmagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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ihren Brüsten baumelte.
    Ita trat zurück, um ihn hineinzulassen.
    » Womit kann ich Euch helfen?« Ihre Stimme vibrierte erwartungsvoll.
    » Mit der Wahrheit«, sagte Vincent. » Allein deswegen bin ich hier.«
    » Die Wahrheit?«, wiederholte Ita gedehnt. Ihre Augen begannen zu flackern. » Was genau …«
    » Ein Wort, das Ihr kaum zu kennen scheint.« Er sprach nun schneller und härter. » Ein Wort, das Euch vermutlich nie sonderlich geläufig war. Was habt Ihr mit Jakob gemacht, den Johanna Euch einst anvertraut hat?«
    » Ach, jetzt hat sie auch noch Euch vor ihren Karren gespannt?« Itas Lächeln missglückte. » Selbst am Galgen wird sie es noch schaffen, Männer zu …«
    » Was ist mit Jakob?«, donnerte Vincent. » Und spannt meine Geduld nicht auf die Folter, sonst könntet Ihr es bitter bereuen! Er ist gar nicht gestorben, damals in Freiburg, wie Ihr es Johanna weisgemacht habt, nicht wahr? Was ist stattdessen mit ihm geschehen?«
    In ihrem Gesicht zitterte und zuckte es, als ginge innerlich ein Gewitter nieder, dann wurde sie plötzlich fahl.
    » Ich habe ihn an einen Bettler gegeben«, sagte sie. » Wie seinen eigenen Sohn wollte er ihn behandeln, das hat er mir hoch und heilig versprochen …«
    » Ihr habt ihn verkauft?«, schrie Vincent.
    » Viele Bettler kaufen sich Kinder, um den Reichen das Herz zu öffnen«, sagte Ita. » Und ihm scheint das Leben in Gottes freier Natur ja auch nicht geschadet zu haben. Groß ist er geworden. Und ansehnlich – der echte Sohn seiner Mutter.«
    » Woher wollt Ihr das wissen?« Vincents Stimme war leiser geworden, aber umso gefährlicher.
    » Weil ich ihn wiedergesehen habe. Jakob ist hier – in Köln. Weiß der Himmel, wie es ihn hergetrieben hat!« Sie zog einen Flunsch wie ein junges Mädchen.
    » Wo ist er?«, fragte Vincent. » Wo?«
    » Genau da beginnen die Schwierigkeiten.« Ita schien jedes Wort zu genießen, denn sie ähnelte auf einmal einer satten Katze, die gerade den Sahnenapf ausgeschleckt hat. » Es scheint nämlich, als habe er eine große Dummheit begangen.«
    » Was soll das heißen? Werdet deutlicher!«
    » Rheinmeister Rutger Neuhaus ist ermordet worden, der Bruder des erzbischöflichen Kanzlers. Ziemlich rasch hat man Räuberpack der hinterlistigen Tat verdächtigt, und inzwischen kennt man sogar den Täter – Jakob! Deshalb sitzt er auch in der erzbischöflichen Hacht, bis man ihn verurteilt.«
    In Vincent war Dunkel aufgezogen, ein Gefühl, zu spät gekommen zu sein und kläglich versagt zu haben. Würgen hätte er dieses Weib können, schütteln, ohrfeigen – aber allein sie zu berühren wäre ihm unmöglich gewesen.
    » Der Himmel wird Euch für alles strafen«, sagte er stattdessen. Er konnte es keinen Augenblick mehr länger mit ihr unter einem Dach aushalten. » Für Eure Lügen, für Eure Betrügereien, für das Leid, das Ihr Johanna und Jakob zugefügt habt aus Neid, Gier und Missgunst …«
    Sie machte eine Geste, als wollte sie seine Worte wegwischen. Dabei blieb ihr Spitzenbesatz am Kreuz hängen und riss entzwei. Die hässlichen roten Geschwüre auf ihrem Unterarm leuchteten wie in Blut getaucht.
    » Der Himmel hat Euch schon bestraft«, sagte Vincent. » Ihr habt die Lustseuche schon seit Jahren? Nun, dann kommen die schönsten Zeiten jetzt auf Euch zu.«
    » Wird es wieder vergehen?« Ihr Blick hing an seinem Gesicht. » Wie oft hab ich darum gebetet! Ich kann nichts dafür. Eines Tages bin ich damit aufgewacht.«
    » Und habt die Krankheit sicherlich ungeniert an viele Männer weitergegeben?«, sagte er scheinbar ruhig.
    » An den einen oder anderen«, sagte sie vage. » Möglicherweise.«
    » Auch dazu werdet Ihr bald keine Gelegenheit mehr haben! Hässliche Schlangen krümmen sich auf Eurer Haut. Die Augen versagen ihren Dienst. Dafür werdet Ihr Dinge sehen und hören, die es gar nicht gibt. Eure Erinnerung setzt aus, Arme und Beine werden taub. Greift ruhig in die Flamme – denn Ihr werdet keinen Schmerz mehr empfinden, während Ihr gleichzeitig alles unter Euch lasst …«
    » Seid Ihr der Leibhaftige?«, flüsterte Ita.
    » Ein Medicus«, sagte Vincent. » Meine Arbeit über die Lues ist beinahe beendet. Doch Ihr werdet die Drucklegung nicht mehr erleben.«
    Damit ließ er sie zurück.
    Ita sank auf einem Hocker zusammen, unfähig, sich zu rühren, auch noch, als die eiligen Schritte, mit denen er sich von ihr entfernt hatte, schon längst verklungen waren.
    x
    Jetzt verließ die Kälte sie keine Stunde mehr. Bela

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