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Die Pestmagd

Titel: Die Pestmagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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sich enger um ihn schlossen – das hatte er empfunden, weil seine Mutter fort war und nicht wiederkam. Ein Geruch, der sich tief in ihn eingenistet hatte – so roch sie noch heute, süßlich, lau und abgestanden. Raue Hände, die ihn wegrissen – die hatten dem Alten gehört, der ihn in Empfang genommen hatte. Das Gefühl, im nächsten Moment ersticken zu müssen …
    » Du hast mir etwas in die Suppe getan«, sagte er. » Das mich schläfrig machen sollte, damit ich nicht weine. Aber du hast zu viel erwischt. Der Alte hat nämlich Angst bekommen, er hätte eine Leiche gekauft. Da hat er mich am Hals gepackt und …«
    Er näherte sich ihr. Jetzt stand sie mit dem Rücken zur Wand. Ihr Gesicht war voller Schatten.
    » Ich wusste, dass du kommen würdest«, sagte sie. » Seit ich dich im Hurenhaus gesehen habe. Ja, ich hab dich wiedererkannt und gehofft, dass du dich nicht mehr an mich erinnerst. Und im gleichen Atemzug hab ich es mir gewünscht.« Sie gab ein krächzendes Lachen von sich. » Deine festen Ärmchen um meinen Hals. Dein roter Mund, der unentwegt geplappert hat. Die Geschichten, die du hören wolltest, bevor du einschlafen konntest. Manchmal hab ich mir sogar vorgestellt, ich sei deine Mutter. Und wenn ich damals nicht …« Sie verstummte.
    » Du hast mich an den Alten verkauft.« Seine Stimme war blankes Eis. » Und all die Jahre dachte ich …«
    » Johanna? Die lag im Pesthaus«, sagte Ita. » Aber das hat sie mir nicht verraten. Ich hatte dich am Hals und wurde selber krank. Was sollte ich tun? Ich brauchte das Geld.«
    » Und dafür hast du mich diesem alten Widerling übergeben. Für ein paar Silberlinge!«
    » So viel war es gar nicht«, sagte sie bitter. » Er hat mich ordentlich runtergehandelt, weil du so klein und dünn warst. Und zwei gesunde Augen hattest …«
    » Sei still!« In Jakobs Hand blitzte das Messer. » Ein Wort noch …«
    » Ach, abstechen willst du mich?«, sagte Ita. » So wie den Rheinmeister Neuhaus, den man am Ehrentor mit lauter Stichwunden im Rücken gefunden hat?«
    Er bekam plötzlich kaum noch Luft. Waren sie schon hinter Nele her? Würden sie sie aus dem Pesthaus zerren und im Turm krepieren lassen?
    Etwas in seinem Ausdruck schien sie stutzig zu machen.
    » Du kennst Neuhaus?«, sagte sie. » Ja, du kennst ihn. Und du weißt auch, dass er tot ist. Lass mich überlegen: Bist du vielleicht sogar dafür verantwortlich? Hast du ihn umgebracht, weil du auf sein Geld aus warst? Oder hattest du saubere Komplizen, die …«
    » Schweig!« Jetzt schrie er. » Ja, er hat den Tod verdient – tausendmal! Ebenso wie du. Bete noch einmal, wenn du das nicht längst verlernt hast! Und dann stirb!«
    Jakob holte aus, doch in diesem Moment griff Ita nach dem Leuchter und schleuderte ihn nach ihm. Heißes Wachs troff in seine Augen, er schrie auf, rieb und rieb, um wieder sehen zu können.
    Erstaunlich behände war Ita an der Tür und schlug sie zu. Dann drehte sich ein Schlüssel im Schloss.
    Halb blind trommelte er mit den Fäusten von innen dagegen.
    » Ich schlag die Tür ein, wenn du nicht aufmachst«, schrie er. » Lass mich raus!«
    » Das schaffst du nicht«, rief sie triumphierend. » Ist die dickste im ganzen Haus! Und ein Fenster zum Fliehen gibt es auch nicht. Du wirst hier warten, bis ich die Büttel geholt habe. Denen kannst du dann in aller Ruhe erzählen, wie du Neuhaus ermordet hast.«
    x
    » Du musst es tun, Vincent, bitte!« Unter der Maske klang Johannas Stimme dumpf. Er hatte sie gezwungen, sie anzulegen, denn gestern war einer der Kranken hustend und Blut spuckend verstorben. Außerdem hatten sie das Mädchen, Johannas besonderen Schützling, ebenfalls auf den Totenkarren werfen müssen. » Ihre Beulen sind groß und prall. Sieh doch nur …«
    » Nele?« Er beugte sich tiefer über die Pritsche. » Nele, hörst du mich?«
    » Du kennst sie?«, fragte Johanna erstaunt.
    » Ihre Mutter war die erste Pestkranke, der ich in Köln begegnet bin. Nele hat mich um Hilfe gerufen. Am nächsten Tag wollte ich wieder zu ihnen, doch da waren sie spurlos verschwunden.« Vincent richtete sich auf. » Tod und Teufel habe ich in Bewegung gesetzt, um herauszubekommen, wo sie sein könnten. Und jetzt liegt sie hier vor mir …«
    » Hilf ihr, Vincent!«, sagte Johanna. » Jetzt erst recht.«
    » Und wenn sie dabei stirbt? Sie ist so schwach und fiebert hoch.«
    Als schienen die Stimmen durch ihre Agonie zu dringen, begann Nele den Kopf hin und her zu bewegen.
    » Jakob?«,

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