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Die Pestmagd

Titel: Die Pestmagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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schaute Jakob ihnen hinterher.
    » Der Medicus muss sie wieder gesund machen«, sagte er. » Er wird sie doch wieder gesund machen?«
    » Zaubern kann der Medicus auch nicht«, sagte Marusch, während sie ihre Hand fordernd ausstreckte. Nach einigem Zögern gab er ihr den Silbergulden des Juden, was ihr zu gefallen schien. » Außerdem macht diese Johanna ihm dauernd schöne Augen. Geschoren hat man sie, und jung ist sie auch schon lange nicht mehr, aber Männern den Kopf verdrehen, das kann sie noch immer.«
    Sie wollte die Tür schließen.
    » Halt!«, rief Jakob. » Nicht so schnell! Und wie erfahre ich, wie es um Nele steht?«
    » Komm morgen wieder!«, sagte Marusch. » Nach dem Mittagsläuten. Da schläft Johanna meistens, weil sie bis in die Morgenstunden bei den Kranken hockt. Dann kann ich dir vielleicht mehr sagen.«
    Er musste am Hurenhaus vorbei, um die wenigen Schritte zur Schwalbengasse hinter sich zu bringen, und wieder beschlich ihn beim Gedanken an Bela ein seltsames Gefühl. Sie war so anders gewesen bei ihrer letzten Begegnung, in sich gekehrt, beinahe traurig.
    Sollte er seinen Vorsatz brechen und bei ihr vorbeischauen?
    Jakob ging schnell weiter, bevor er es sich anders überlegen konnte. Besser die Wut bewahren, die in ihm brodelte. Auf die Frau, die sein Leben zerstört hat. Auf Neuhaus, der Nele den Tod geschickt hat. Und auf die Kramerin, die wertlosen Plunder gegen die Pest verkaufte.
    Seine Faust schlug gegen die Tür mit der Eulenkralle.
    » Aufmachen«, schrie er. » Aber schnell!«
    Itas Augen wurden schmal, als sie ihn erkannte.
    » Komm ein anderes Mal wieder!«, sagte sie. » Nicht bei nachtschlafender Zeit!« Eilig wollte sie zurück ins Haus, doch weil sie den Leuchter schief hielt, tropfte Kerzenwachs auf ihre Hand. Sie begann zu fluchen.
    Blitzschnell war Jakobs Fuß in der Tür. Drinnen versetzte er ihr einen Stoß, der sie ein ganzes Stück in den engen Gang stolpern ließ.
    » Was willst du?«, rief sie. » Wenn du mich noch ein einziges Mal anfasst, schreie ich das ganze Viertel zusammen!«
    » Macht dir wohl Spaß, was?«, sagte Jakob. » Mit der Angst der Menschen zu spielen. Mir hast du ein sündteures Pestamulett angedreht. Und was hat es gebracht? Nichts. Gar nichts!«
    » Und was hast du gemacht?«, keifte Ita zurück. » Diebstahl nennt man so etwas. Ich bin die Geschädigte. Gabe gegen Gegengabe – hast du in deinem elenden kleinen Leben noch nie etwas davon gehört?« Dann wurde sie leiser. Eine Spur von Verbindlichkeit kehrte in ihre Stimme zurück. » Ist das Liebchen krank geworden? Bist du deshalb gekommen? Dann bist du genau an der richtigen Adresse.«
    Sie lief in ein fensterloses kleines Zimmer und begann unter unzähligen Töpfen und Näpfchen auf einem Tisch zu wühlen.
    Jakob folgte ihr.
    » Hier!«, sagte sie schließlich und streckte ihm ein Tongefäß entgegen. » Schlangenhaut, Nieswurz, Kröteneier und noch ein paar weitere Zutaten, die allerdings zu geheim sind, um sie dir auf die Nase zu binden. Nicht gerade billig, das muss ich gleich vorausschicken. Aber wirksam! Wenn du damit die schwarzen Beulen um Mitternacht einreibst, kann sie …«
    Er schlug ihr das Gefäß aus der Hand. Der Ton zerbrach. Etwas Weißliches quoll auf den Boden.
    » Ich kenne dich«, sagte Jakob drohend.
    Für einen Augenblick war sie wie erstarrt, dann warf sie den Kopf zurück, sodass die Ketten an ihrem Hals klirrten, und lachte.
    » Ich weiß genau, wer du bist.« Etwas zwang ihn zum Weiterreden.
    » Du verwechselst mich«, sagte sie, während ihr Lächeln mehr und mehr gefror.
    Die Narben auf seiner Brust begannen zu brennen.
    » Du wirst nie ein Falke sein.« Hatte sie das zu ihm gesagt? Aber wann? Das musste früher gewesen sein … sehr viel früher …
    » Was ziehst du denn auf einmal für ein Gesicht?«, sagte sie. » Ich bin es, Ita. Ita. Ita!«
    Ita. Ita. Ita …
    Das hatte vor langen Jahren ein kleiner Junge gesagt, der zu klein gewesen war, um den Namen Marita richtig auszusprechen.
    » Ita«, wiederholte er jetzt langsam, als kehrte mit jeder Wiederholung auch die Erinnerung zurück. » Ita. Ita. Ita … Ich hab dich so genannt!«
    » Du irrst dich«, hörte er sie wie durch eine Nebelwand sagen. » Ich hab dich nie zuvor …«
    Dann riss der Nebel plötzlich auf – er sah. Hörte. Und roch.
    Etwas Rotes, vom dem unablässig Wasser tropfte – das war ein Loch im Dach gewesen, in das sie einen ihrer alten Unterröcke gestopft hatte. Eine Kammer, deren Wände

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