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Die Pestmagd

Titel: Die Pestmagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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murmelte sie. » Jakob, wo bist du?«
    » Hast du das gehört?«, flüsterte Johanna. » Sie hat Jakob gesagt – Jakob.«
    » Ich bin ja nicht taub«, sagte Vincent. » Schnell, die Schröpfgläser, Essigwasser und sauberes Leinen!«
    Er verfuhr wie all die Male, und doch kam es Johanna vor, als wären seine Hände noch behutsamer.
    » Ich wünschte, ich könnte die Handschuhe dabei ausziehen«, sagte er zwischendrin, als spürte er, was in ihr vorging. » Oder sie müssten aus geschmeidigerem Material sein. Aber es wird auch so gehen.«
    Als die erste Beule aufbrach und der Eiter auszufließen begann, kam Sabeth herein. Wortlos ging sie zum Kopfende der Pritsche und legte ihre Hand auf die Stirn des Mädchens.
    Johanna wusch die Wunde mit Essigwasser aus.
    » Die zweite bereitet mir mehr Sorgen«, sagte Vincent. » Sie ist härter. Ich werde schneiden müssen.«
    Sein Messer durchdrang die Hülle. Der Eiter war dunkler und stank noch fauliger. Johanna säuberte auch diese Wunde, dann legte sie die Verbände an.
    » Gib ihr ein wenig von dem Schlafmohn«, sagte Vincent, der das Pesthaus inzwischen mit einigen Elixieren und Substanzen aus der Apotheke zu den Vierwinden ausgestattet hatte. » Nur ein paar Krümelchen. Ruhe wird ihr jetzt guttun.«
    Johanna nickte Sabeth zu, damit sie sich ihnen anschloss. Doch als die Alte ihre Hand zurückziehen wollte, erwachte erneut die Unruhe in Nele.
    » Bleib bei ihr!«, sagte Johanna, innerlich noch immer aufgewühlt, während sie mit Vincent hinausging. » Vielleicht denkt sie, du bist Jakob.«
    » Jakob«, sagte Sabeth. » Ich bin jetzt Jakob.«
    » Wir müssen Nele nach ihm fragen«, sagte Johanna.
    » Das werden wir«, sagte er. » Doch zuvor muss ich zum Erzbischof. Er scheint unpässlich zu sein, so jedenfalls hat der Bote sich ausgedrückt. Da kann er noch unleidlicher werden als sonst.«
    » Du glaubst nicht daran?« Johanna streifte die Maske ab.
    » Nichts in der Welt würde ich lieber tun. Aber er ist tot. Hast du mir das nicht immer versichert? Und Jakob heißen viele.«
    » Ich weiß«, sagte sie heftig. » Unzählige Male hab ich es mir gesagt. Aber ich bin nie an seinem Grab gestanden. Und habe niemals seinen Leichnam beweint. Ich hatte mein Kind in die Obhut einer anderen Frau gegeben, weil ich ins Pesthaus musste und nicht wusste, ob ich jemals wieder herauskommen würde. Wenn Ita damals gelogen hat …«
    » Ita?«, unterbrach er sie. » Üppig, mit einem derben Gesicht und gefärbten Haaren?«
    » Du kennst sie?«, fragte Johanna fassungslos. » Woher?«
    » Sie ist mir schon auf der anderen Rheinseite begegnet«, sagte er. » Als ich nach Köln kam. Und später wieder. Ita ist die Buhle deines Schwagers.«
    » Hennes und Ita …«
    » Im Lilienhaus«, bekräftigte Vincent. » Als ich deine Stute geholt habe. Und der hast du unseren Sohn anvertraut?«
    » Früher nannte sie sich Marita und war Bademagd wie ich auch. Ita, das stammt von Jakob. Als er noch zu klein war, um ihren richtigen Namen zu sagen. Er mochte sie. Und ich dachte, sie ihn auch …«
    » Danach werde ich sie fragen«, sagte Vincent so zornig, wie sie ihn noch nie zuvor gehört hatte. » Danach und nach vielem anderen!«
    » Du gehst zu ihr?« Johanna lief ihm nach, obwohl Marusch schon wieder große Ohren bekommen hatte. » Du weißt, wo du sie findest?«
    » Ich werde sie finden«, sagte Vincent. » Und zum Reden bringen, das verspreche ich dir!«
    Mit Riesenschritten verließ er das Pesthaus, er lief nicht, er rannte, egal, ob die Leute dem Mann im dunklen Mantel und mit der Tasche hinterherschauten oder nicht.
    Plötzlich hielt er inne. Sollte er doch lieber zuerst zum Lilienhaus?
    Aber da würde sie Hennes Arnheim als Unterstützung haben, vorausgesetzt, dieses Pack wälzte sich noch zusammen in den Laken.
    Die Schwalbengasse lag näher, daher entschied Vincent sich dafür. Die Tür mit der Eulenkralle schien ihn wie magisch anzuziehen.
    Als er davor stand, riss er die Kralle wütend ab. Dann schlug er fest gegen das Holz.
    » Ihr?«, fragte sie überrascht und setzte sofort ein wohlfeiles Lächeln auf. » Dass Ihr den Weg zu mir findet – welche Ehre!«
    Heute trug sie nicht das billige, abgeschabte Rot wie üblich, sondern ein schlichtes dunkles Kleid, das sie fast ehrbar wirken ließ. Allerdings saß das Gewand reichlich eng, besonders an den halblangen Ärmeln, was sie mit üppigem Spitzenbesatz zu kaschieren versuchte. Das Gegenstück dazu bildete ein schweres Silberkreuz, das auf

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