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Die Pestmagd

Titel: Die Pestmagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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ganz in seinem Element.
    » Sollte die Besserung nicht rasch genug vorangehen, können wir zudem einen Sud aus Mariendistel hinzuziehen, der besonders entgiftend und zugleich stärkend wirkt. Wenn Exzellenz dann noch Fettes und Schweres an der Tafel meiden, auf feurige Saucen und scharfe Gewürze verzichten und nach dem Genuss der Hauptmahlzeit einen feuchten Leberwickel im Liegen wirken lassen, müsste schon sehr bald Linderung eintreten. Allerdings sollten Exzellenz sich nicht aufregen, da hat Kanzler vom Hagen genau ins Schwarze getroffen. Denn die Leber ist ja auch als Sitz der Gefühle bekannt – da kann jedes Übermaß schädlich sein.«
    » Seid Ihr endlich fertig?«, sagte Longolius säuerlich. » Hepatica nobilis, Raphanus sativus und Chelidonium maju s sind selbstredend in meinem Pflanzenbuch aufgeführt und alles andere als Wundermittel.«
    » Das ist mir bekannt. Entscheidend sind Dosierung und Zusammenstellung. Wieso sich mit sprödem Latein aufhalten?« Zu Vincents Überraschung begann Hermann von Wied bei den letzten Worten geradezu euphorisch zu nicken. » Was der Erzbischof jetzt am dringlichsten braucht, sind Taten.«
    » Wie recht Ihr habt, Medicus de Vries!«, rief der Kranke. » Sucht daher so rasch wie möglich die Apotheke an den Vierwinden auf der Hohen Straße auf, um Euch mit allem einzudecken, was Ihr benötigt – die beste Offizin in ganz Köln. Zudem ist Wenzel Mechthus, der sie führt, ganz nach meinem Geschmack – ein Mann, der das Wort Gottes ebenso liebt wie ich!«
    Der Kanzler verdrehte bei diesen Worten die Augen gen Himmel, als ob jemand ihm in den Bauch geboxt hätte. Ob er etwas gegen den Apotheker hatte?
    Vincent beschloss, sich nicht darum zu kümmern, und verneigte sich leicht.
    » Das muss ich nicht, mit Verlaub, Euer Exzellenz! Die wichtigsten Kräuter führe ich stets mit mir. Wenn Ihr gestattet, werde ich Eure Medizin eigenhändig zusammenstellen und sie Euch danach umgehend zukommen lassen. Wir sollten keine kostbare Zeit verlieren!«
    Gisbert Longolius’ Augen sprühten Blitze, während der schweigsame Bernhard vom Hagen überraschend zufrieden wirkte.
    Vincent überlegte rasch. Sich schon am ersten Tag am Hof einen erbitterten Feind zu machen erschien ihm ebenso sinnlos wie kräftezehrend.
    » Lasst uns nicht uns gegenseitig bekriegen, Longolius, sondern lieber Hand in Hand arbeiten! Was haltet Ihr von diesem Vorschlag? Sowohl für die Gesundheit des Erzbischofs als auch bei der Unterweisung der Studenten in der medizinischen Burse, die uns beiden ab jetzt gemeinsam obliegt. Ihr müsst aus Antwerpen stammen, habe ich recht? Oder sollte mein Ohr mir einen Streich gespielt haben?«
    » Utrecht«, verbesserte Longolius, der mit einem Mal viel weniger grimmig aussah. » In dieser schönen Stadt wurde ich geboren.«
    » Und ich erblickte in Gent das Licht der Welt, habe aber meine Heimatstadt seit Jahren nicht mehr gesehen. Also, was meint Ihr, Landsmann? Schlagt ein!« Er hielt ihm die ausgestreckte Rechte entgegen.
    Unsicherheit und Widerwillen stritten sich im Gesicht des Leibarztes, schließlich aber überwand er sich und schlug ein.
    » Da hätte ich doch gleich noch eine äußerst wichtige Frage, Medicus de Vries.« Er klang plötzlich ängstlich. » Was haltet Ihr von Sanguisorba minor, auch Pimpinelle genannt, als wirksamem Mittel gegen die Pest? Oder seid Ihr eher von der Wirkkraft des Bisamapfels überzeugt, der am besten vor Ansteckung schützen soll, wie einige behaupten?«
    Eine kalte Hand griff nach Vincents Herz.
    Köln sollte ein Neuanfang für ihn sein und der Posten eines erzbischöflichen Leibarztes der Beginn eines sicheren, ruhigen Lebensabschnitts. Lösten all diese Hoffnungen sich nun auf, noch bevor er die Stelle richtig angetreten hatte?
    » Ist Eure Frage theoretischer oder eher praktischer Natur, Longolius?«, fragte er und war froh, dass seine Stimme halbwegs gelassen klang.
    Der Gefragte öffnete den Mund und schloss ihn wieder, als fehlte ihm plötzlich die Kraft oder der Mut für eine Antwort.
    An seiner Stelle ergriff der Erzbischof das Wort.
    » Wir brauchen Eure Hilfe, Medicus de Vries«, sagte er. » Ich bin sicher, wir haben den richtigen Mann nach Köln geholt.«
    x
    Die Luft flirrte vor Hitze, als Johanna atemlos den Neumarkt erreicht hatte, doch als sie sich umschaute, sank ihre freudige Neugierde rasch in sich zusammen. Sie war zu spät gekommen.
    Nur noch ein jämmerlicher Rest Pferde stand zum Verkauf bereit, alles andere als

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