Die Pestmagd
Vielleicht besinnt er sich ja noch und lässt sich durch Ennelin auf den rechten Weg führen. Wieso kümmerst du dich nicht endlich um die Gäste?«, fuhr er seine Frau an. » Sollen sie an diesem Freudentag vielleicht verhungern und verdursten?«
» Wozu gibt es Mägde?«, schnappte sie zurück. » Sieht so vielleicht die Zukunft unseres Kindes aus? Buckeln und dienen – und das bei einem Mann, der ihr Vater sein könnte?« Doch sie fügte sich mit Leichenbittermiene und ging widerstrebend.
Mechthus schien erleichtert, als sie endlich verschwunden war.
» Wo steckt eigentlich Christian?«, fragte er. » Ich sehe deinen Sohn hier nirgendwo. Weil du ihm deine Hochzeit verschwiegen hast? Oder will er die junge Stiefmutter brüskieren, indem er einfach wegbleibt?«
» Mein Sohn ist für mich tot.« Ludwigs Stimme war plötzlich hart. » Wie oft soll ich das noch sagen? Mein einziges Kind strampelt dort drüben im Leib deiner Tochter.« Er packte einen Becher, hob ihn hoch und stieß mit dem Apotheker an. » Auf die Liebe! Und das Leben!«
Viele Nachbarn waren mit kleinen Geschenken gekommen, wie es üblich war, hatten Kuchen, einen Brotlaib, Samenkörner und Mehl mitgebracht, wenngleich ihre Gaben angesichts der herrschenden Dürre magerer als gewöhnlich ausfielen. Aber noch etwas anderes hatte sie hierhergetrieben: blanke Neugierde, um sich in Ruhe bei dem ungleichen Paar umzusehen. Weißenburg war ein Mann, der den Frauen gefiel, wenngleich der Baderberuf ihn in den Augen anderer eher anrüchig wirken ließ. Vielen hatte er schon geholfen, Glieder wieder eingerenkt, Warzen den Garaus gemacht oder faule Zähne gezogen. Doch man tuschelte, er wisse auch auf andere Weise zu Geld zu kommen, indem er seine Schwitzkammern regelmäßig den Huren vom Berlich zur Verfügung stelle und dort seit dem Tod seiner Frau vor einigen Jahren heimliche Orgien veranstalte, die er sich fürstlich entlohnen lasse.
Dass er sich ausgerechnet die schüchterne Apothekertochter zum Heiraten ausgesucht hatte, war im ganzen Viertel auf Kopfschütteln gestoßen. Ihr und ihren Eltern war lange nachgesagt worden, dass sie mit den Evangelischen sympathisierten, heimlich Bibelstunden abhielten und den Ablasshandel öffentlich verdammten – wie konnte das zu einem Ludwig Weißenburg passen, der kaum einen Fuß in die Kirche setzte? Doch die beiden schienen sich zu verstehen, suchten immer wieder den Blick des anderen, und als Ennelin an ihm vorbeiwollte, um neuen Wein für die Gäste zu holen, ließ Ludwig sie erst nach einem innigen Kuss wieder gehen.
Die Unterhaltung geriet ins Stocken, als plötzlich Hennes Arnheim auf der Schwelle stand, über dem Arm einen schmalen Kragen aus gelbbraunem Fell.
» Ich wollte an diesem besonderen Tag persönlich gratulieren«, rief er und schien hocherfreut, als viele Köpfe zu ihm herumfuhren. » Wo steckt sie denn, die anmutige Braut?«
Ennelin wurde von einigen jungen Frauen zurück in die Stube gebracht. Ihre blassblauen Augen weiteten sich bei seinem Anblick vor Überraschung.
» Die richtige Ergänzung zu Eurem Haar!«, rief der Kürschner und drapierte das Fellstück geschickt um den Hals der Braut. Seine großspurige Geste wandte sich an alle Anwesenden. » Seht Ihr, wie die Augen plötzlich zu leuchten beginnen?«
» Aber wie kommt Ihr denn nur dazu?« Ennelin war tief errötet und drehte ihren neuen Ring mit dem Karfunkelstein, als könne sie sich an ihm festhalten. » Ein so kostbares Stück!«
» Feinstes Murmeltier«, bekräftigte Hennes. » Als würde es schon immer auf Euch gewartet haben. Wie auch hätte ich geizig sein können, wo doch so vieles uns verbindet?«
Ludwig packte ihn am Arm und zog ihn ein Stück beiseite.
» Lasst sie in Ruhe!«, murmelte er. » Was wollt Ihr überhaupt von meiner Ennelin?«
» Kommt mit nach draußen, wenn Ihr den Mumm dazu habt«, verlangte Hennes. » Oder wollt Ihr gar nicht erfahren, was mit Eurer Kebse ist?«
Ludwig blieb stumm, bis sie im Hof angelangt waren. In der einen Ecke scharten sich alle um den Spieß, die andere hatten die beiden Männer ganz für sich.
» Johanna und ich, das geht Euch gar nichts an …«
» Wusste ich es doch! Ihr gebt also zu, Johannas Liebhaber zu sein!« Hennes klang höchst zufrieden. » Zu leugnen hätte Euch ohnehin nichts genützt. Heimliche Unzucht im Trauerjahr, so nennt man das wohl.«
» Was wollt Ihr von mir? Geld?«
Hennes trat einen Schritt zurück. » Davon habe ich mehr als genug. Ihr scheint ja
Weitere Kostenlose Bücher