Die Pestmagd
Tochter. Scheint schwierig zu sein, sich allein durchzuschlagen. Wieso vertraut Ihr Euer Seelenheil nicht lieber einer frommen Gemeinschaft an? Dann wären all Eure Sorgen vorbei.«
» Ich – und eine Nonne?« Johanna schüttelte den Kopf. » Dazu tauge ich leider nicht.«
» Das hat schon manch eine vor Euch gesagt und ist schließlich doch zur treuen Magd des Herrn geworden. Menschen können lernen, Witwe Arnheim! Dazu sind wir schließlich auf der Welt.«
» Außerdem trage ich die Verantwortung für Severins Erbe und muss für eine kranke alte Frau sorgen.« Johanna ließ sich nicht beirren. » Nein, ich werde auch weiterhin so leben wie bisher.« Sie sah die Priorin furchtlos an. » Wollen wir das Geschäftliche gleich regeln, Mutter? Ich könnte auf der Stelle eine Anzahlung leisten, falls Ihr das wünscht.« Und würde mich um einiges sicherer fühlen, setzte sie stumm für sich hinzu. Von den Schwankungen und Launen hinter Klostermauern habe ich inzwischen nämlich mehr als genug!
Mutter Christina schien nachzudenken, schließlich jedoch schüttelte sie den Kopf. » Wie soll ich jetzt schon den Preis bestimmen? Kommt nach der Weinlese wieder! Dann kann ich Euch Genaueres sagen.«
Ganz und gar nicht die Antwort, auf die Johanna gehofft hatte.
» Und was, wenn Euer Wein dann zu teuer für mich ist?«, bohrte sie weiter, weil sie unbedingt wissen musste, woran sie war. » Dann stehe ich am Ende womöglich doch mit leeren Händen da.«
» Eine ehrbare Witwe verdient unsere Unterstützung.« Ein kurzes Zögern. » Wenn Ihr unbedingt wollt – gebt mir fünf Gulden als Anzahlung und schlaft ab jetzt wieder gut!«
Auf dem Rückweg waren Johannas Beine spürbar leichter, und selbst das schwere Gewand störte sie nicht länger. Am Duffesbach musste sie einem Reiter ausweichen, der sein Pferd durch das seichte Wasser trieb und dann rasch im Gewirr der Gassen verschwunden war. Die Tropfen auf dem schwarzen Kleid waren ihr gleichgültig. Mit einem Lächeln schaute sie ihm hinterher, den Pferdegeruch noch in der Nase.
Rösser hatte sie bislang lieber aus sicherer Entfernung bestaunt. Es lag Jahre zurück, dass sie zum letzten Mal geritten war – und das damals nicht aus freien Stücken, sondern um ihr Leben zu retten. Severin hatte nie ein eigenes Reittier besessen. Für seine Reisen hatte er sich stets Pferde aus dem Stall eines befreundeten Kaufmanns ausgeliehen. Und jetzt sollte sie ein eigenes Pferd anschaffen, wie die Weinschule es verlangte? Solch ein Kauf würde ein neues tiefes Loch in ihre Ersparnisse reißen. Außerdem müsste sie für Futter sorgen, weitere Ausgaben, die sie in ihren Berechnungen nicht berücksichtigt hatte.
Aber hatte sie denn eine Wahl?
Das Lilienhaus besaß zum Hof hin einen alten Stall. Allerdings hatte sie dort den Rest von Severins Gerätschaften abgestellt, die sie nun anderweitig unterbringen müsste, um ausreichend Platz zu schaffen. Ein Pferd musste bewegt werden, brauchte Hufe, Zaumzeug und Sattel. Es konnte krank werden und damit neue Kosten verursachen. Doch die Vorstellung, diesen Melchior Strosch erblassen zu sehen, weil sie eben doch zustande brachte, was der Visierer ihr niemals zugetraut hatte, erschien Johanna als überaus verlockend. Und würde sie damit nicht auch Hennes beeindrucken und in die Schranken weisen können?
Jetzt ertrug sie die lästige Haube keinen Augenblick länger. Sie riss sie sich vom Kopf und stopfte sie in ihren Gürtel. Sollte sie ihren Plan nicht am besten sofort in die Tat umsetzen?
Johanna schmunzelte, als sie über einen großen Stein stolperte und heftig mit den Armen rudern musste, um nicht auf die Nase zu fallen. Ihre Füße waren offenbar noch schneller als der Kopf gewesen, denn sie war bereits unterwegs zum Neumarkt, wo heute der allwöchentliche Rossmarkt abgehalten wurde.
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» Bleibt mir bloß vom Hals mit Eurem Purgieren – ich habe die Nase davon endgültig voll!«, hörte Vincent de Vries durch den Flur schallen, als er sich den Gemächern des Erzbischofs näherte.
» Aber Ihr braucht den Trank, um Euch zu erleichtern, Exzellenz.« Ein Bass, laut und beschwichtigend. » Nur so könnt Ihr wieder gesund werden. Mein Pflanzenbuch sagt …«
» Euren widerlichen Sud aus der Scheißwurz könnt Ihr ab jetzt selber saufen!«, schrie eine empörte Männerstimme. » Ich bin diese schlaflosen Nächte leid – habt Ihr mich verstanden? Hab wahrlich andere Dinge zu tun, als ständig mit geblähtem Leib über dem Abtritt zu
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