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Die Pestmagd

Titel: Die Pestmagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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jetzt regelrecht im Glück zu schwimmen: ein blutjunges Weib, ein reicher Schwiegervater dazu, schon bald den Erben in der Wiege – was kümmert Euch da noch das Schicksal der Frau, die Ihr beschlafen habt?«
    » Was ist mit Johanna?«, rief Ludwig aufgebracht. » Redet!«
    » Nun, es geht abwärts mit ihr, seit Ihr sie verlassen habt. Sie hat kaum noch Wein, womöglich wird sie ihren Ausschank ganz schließen müssen und was soll dann aus ihr werden? Dabei könnte alles ganz anders sein, wäre sie nicht so dickköpfig. An meiner Seite müsste Johanna niemals Not leiden.«
    » Sie würde lieber sterben, als an Eurer Seite leben«, rief Ludwig. » Das weiß ich ganz genau.«
    » Vielleicht wird sie ihre Meinung doch noch ändern müssen, sobald der letzte Heller ausgegeben ist. Manche Weiber brauchen die Rute, bevor sie kriechen lernen.«
    » Wie widerlich Ihr seid! Ein Ungeheuer!«
    » Das sagt der Richtige! Soll ich hineingehen zu Eurer schwangeren kleinen Braut und ihr erzählen, wie Ihr es mit der Witwe Arnheim getrieben habt?«
    » Verlass mein Haus, und nimm deinen räudigen Pelz mit! Solltest du aber noch einmal wagen, einen Fuß über meine Schwelle zu setzen …«
    Der Kürschner stand auf einmal so nah vor Ludwig, dass der Bader seine Ausdünstungen riechen konnte. Er trägt den Tod mit sich, hatte Johanna mehrmals über ihren Schwager gesagt. Tausendfach! In diesem Augenblick begriff Ludwig, was sie damit gemeint hatte.
    » Was dann, Bader?«, zischte Hennes. » Wirst du mich dann etwa töten?«
    Sein Lachen klang hohl in Ludwigs Ohren.
    x
    In der Vorstellung war es ganz einfach gewesen, doch als Johanna schließlich im Stall stand, wusste sie, weshalb sie so lange einen großen Bogen um ihn gemacht hatte. Alles hier erinnerte sie an Severin, jeder Gegenstand, den sie in die Hand nahm, hatte mit ihm zu tun gehabt. Dort drüben lag seine Glaspalette mit dem Spachtel, daneben standen die hölzernen Behälter, in denen seine Pinsel steckten. Wie oft hatte er ihr von Rinds- und Marderhaar vorgeschwärmt, ihr die Unterschiede zwischen einem Halbschlepper, den man zum Auftragen der Buntfarben brauchte, erklärt und einem Stumpfpinsel, mit dem man Flächen aufhellen konnte.
    Plötzlich meinte sie wieder seine Stimme zu hören, die immer besonders fröhlich geklungen hatte, sobald er über das Glasmalen erzählte. Mit jeder Pore war er seiner Kunst verpflichtet gewesen, hatte nach immer neuen, immer noch besseren Möglichkeiten gesucht, sich in ihr auszudrücken. Jetzt wünschte Johanna, sie hätte damals besser aufgepasst und seine Ausführungen nicht nur an sich vorbeirauschen lassen. Nach und nach kamen ihr wieder Einzelheiten in den Sinn, an die sie lange nicht mehr gedacht hatte: Severins kräftige Finger, die so überraschend behutsam Gänsekiel oder Stahlfeder führen konnten, um Lichter im Glas aufzusetzen. Seine Freude, als das Silbergelb, mit dem er lange experimentiert hatte, endlich so leuchtend und transparent geworden war, wie er es sich vorgestellt hatte.
    Er hatte es geliebt, wenn sie ihm beim Arbeiten zugesehen hatte, sie seinen Schutzengel genannt, der ihm die besten Ideen eingab. Johanna freilich hatte dabei meist das Gefühl beschlichen, überflüssig zu sein, ja ihn sogar zu stören, auch wenn er heftig dagegen protestierte, sobald sie es erwähnte. Glas war Severins Welt gewesen, etwas, das ihm ganz allein gehört hatte. So hatte sie es stets zu seinen Lebzeiten gehalten und sich am liebsten vom fertigen Werk überraschen lassen, das sie dann ebenso ehrfürchtig bestaunte wie jene, die ihn kaum oder gar nicht kannten.
    Mit wachsender Ratlosigkeit schaute sie sich nach allen Seiten um. Der Stall war kleiner und niedriger als in ihrer Erinnerung. Was sollte sie tun, wenn Mendel ben Baruch jetzt ein großes Ross brachte, das sich hier kaum rühren konnte?
    Die freudige Aufgeregtheit des gestrigen Tages sank in sich zusammen, und plötzlich fühlte Johanna sich wieder hilflos. Selbst wenn sie den Forderungen der Weinschule entsprechen konnte und ihr Ausschank weiterhin genehmigt wurde – was für neue Schikanen mochten sich die Rheinmeister und ihre Visierer schon bald ausdenken?
    Um auf andere Gedanken zu kommen, machte sie sich energisch ans Ausräumen. Das viele Bruchglas, das hier noch herumlag, packte sie in zwei Holzkisten, die sie irgendwann verschenken würde. Ähnliches galt für Spatel und Pinsel. Nur ein paar ganz feine Radierpinsel wollte sie zur Erinnerung aufbewahren, ebenso wie

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