Die Pestmagd
Augenaufschlag, der in krassem Widerspruch zu ihrer aufreizenden Aufmachung stand. Sie war so luftig gekleidet, als wäre noch immer Hochsommer, und stellte ungeniert zur Schau, womit der Herr sie überreichlich gesegnet hatte. » Allerdings erst, sobald ich gänzlich eingerichtet bin. Rheinmeister Neuhaus war so freundlich, die Formalitäten ganz geschwind zu erledigen, und ich bin schon nahezu heimisch hier.«
Sie zerrte ihn nach drinnen, wo ihm abgestandener Mief und ein Potpourri scharfer Gerüche fast den Atem nahmen.
» Ja, da und dort muss natürlich noch gestrichen werden«, sprudelte sie weiter. » Und einiges werde ich rauswerfen. Doch dazu warte ich, bis die Tage kühler geworden sind. Ist eben ein altes Haus. Aber, wie Rheinmeister Neuhaus mir versichert hat, ein Haus mit allerbester Tradition.«
Beinahe hätte Hennes laut herausgelacht, doch im letzten Moment gelang es ihm, sich zu beherrschen und sogar beeindruckt zu nicken. Garantiert hatte Neuhaus mit keinem Wort erwähnt, dass hier jahrzehntelang Huren ansässig waren. Ihre Säfte und die ihrer Freier mussten so gut wie jeden Fleck des Anwesens durchdrungen haben. Deshalb war es auch so schwierig gewesen, das leer stehende Haus zu vermieten.
» Dann fühlt Ihr Euch also wohl unter diesem Dach«, sagte Hennes, dem unter der niedrigen Decke am ganzen Körper der Schweiß ausbrach, » und könnt alsbald mit Eurer Arbeit beginnen.«
» Stellt Euch vor, das habe ich bereits!« Ihr Blick bekam etwas Metallisches. » Die ersten Kunden haben schon zu mir gefunden. Dabei hängt noch nicht einmal mein Zeichen an der Tür.«
» Was wollt Ihr eigentlich verkaufen …«
» Scht!« Ihr Zeigefinger berührte seine Lippen. » Köln scheint voll von Suchenden, die meiner Hilfe bedürfen. Die ganze Stadt ist krank – krank vor Sünde. Besser hätte ich es mir nicht einmal in meinen kühnsten Träumen ausmalen können. Zum Glück bin ich in der Lage, rasche Abhilfe zu schaffen. Und das hier wird mich dabei beschützen.«
Er schreckte zurück vor dem seltsamen Ding, das sie ihm unter die Nase hielt.
» Was ist das für ein Teufelszeug?«, murmelte er.
Sie lachte kokett. » Ihr enttäuscht mich, Kürschnermeister Arnheim. Wenn einer das wissen müsste, dann doch sicherlich Ihr! Eine Eulenkralle, was sonst? Der Vogel, dem nichts entgeht, weil er in alle Richtungen spähen kann. Mein Wahrzeichen!«
Ihre ausladenden Hüften versperrten ihm den Zugang zum ersten Stock, wo früher die engen Hurenkammern gewesen waren. Als blutjunger Kerl hatte er sich hier die Hörner abgestoßen, gebeutelt zwischen Lust und Scham. Seine erste Hübschlerin war mager und griesgrämig gewesen, darauf bedacht, alles so schnell wie möglich zu Ende zu bringen. Er hätte weinen mögen, nachdem sie ihn wie ein Lumpenpaket von ihren sehnigen Schenkeln gestoßen hatte, doch ihr scharfes Vogelprofil hatte ihn daran gehindert. Mit falschem Lachen hatte er ihr die Münzen in die harte Hand gezählt – und emsig gespart, bis er sich Wochen später in einer fülligen Blonden ergießen konnte, die ihn anschließend wie eine Mutter gewiegt hatte.
Wieso kamen ihm all diese alten Geschichten auf einmal wieder in den Sinn? Weil er jahrelang nicht mehr in diesem Haus gewesen war. Und das Weib neben ihm nach Wollust und Sünde roch.
Hennes wandte sich ab.
Seine verstorbene Frau hatte sich geweigert, ihn zu berühren, nachdem sie ihm auf die Schliche gekommen war. Warum musste ihm auch noch das wieder einfallen?
» Ihr wollt doch nicht etwa schon wieder gehen?«, sagte Ita. » Ich werde Euch gewiss nicht fortlassen, bevor Ihr nicht meinen Wein der Freude genossen habt.«
» Was soll das sein?«, fragte er misstrauisch.
Sie lief voran in die Küche, die er kaum wiedererkannte, weil überall kleine Holzgefäße, Kästchen und Dosen herumstanden, aus denen Kräuterbüschel quollen. Ita schenkte Wein aus einem Krug und hielt ihm den Becher unter die Nase.
» Der Gott der schönen Dinge«, sagte sie, während ihre rechte Braue anzüglich nach oben schnellte. » So manch gekröntes Haupt würde ein Vermögen dafür geben, jetzt an Eurer Stelle zu sein.«
Der Wein roch süßlich und bitter zugleich.
» Ich bin gar nicht durstig«, sagte er ausweichend. » Außerdem wollte ich …«
» Trinkt!« Sie klang unerbittlich. » Oder wollt Ihr nicht erfahren, was die ach so keusche Johanna mir anvertraut hat?«
Er nahm einen Schluck, dann einen zweiten. Einen dritten.
Das Getränk schmeckte fremd und
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