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Die Pestmagd

Titel: Die Pestmagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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Scharfrichter. » Dann kommt!«
    » Ihr bringt mich weg von hier?« Ein winziger Hoffnungsfunken glomm in Johanna auf.
    » Nicht direkt.« Er drängte sie einen schmalen Gang entlang, der immer dunkler wurde, je weiter sie kamen. » Manch einer hat mich schon auf Knien angefleht, in die Fragstatt zurückgeschleift zu werden, wenn er erst einmal ein Weilchen hier verbracht hatte.«
    Wovon sprach er? Was konnte noch übler sein als jene Folterinstrumente, deren Anblick ihr bis ins Mark gefahren war?
    Er ließ den Riegel an einer dicken Eisentür zurückschnappen.
    » Was ist das?«, fragte sie furchtsam.
    » Das Loch der Wahrheit«, sagte er. » Jetzt habt Ihr alle Zeit der Welt, um über ein Geständnis nachzudenken.« Der Scharfrichter versetzte ihr einen Stoß, der sie auf die Knie zwang.
    Johanna wollte aufstehen, doch seine Hand ließ es nicht zu.
    Sie hörte, wie er etwas aus seinem Gürtel zog, dann spürte sie plötzlich etwas Metallisches.
    Ein Messer, das er ihr in den Hals bohren wollte?
    Auf einmal fühlte sich ihr Kopf überraschend leicht an. Wie eine dicke goldene Schlange fiel ihr Zopf neben ihr auf den Boden.
    Die Tür ging zu.
    Pechschwarze Dunkelheit schien Johanna zu verschlucken.
    x
    Belas Haut war so weich wie das Stückchen Samt, das er dem Alten stibitzt und so lange mit sich herumgetragen hatte, bis es rau und abgeschabt und das ursprünglich leuchtende Blau gräulich verblichen war.
    Sein erster Diebstahl – der erste in einer unendlichen Reihe.
    Nachts hatte er den Stoff heimlich hervorgeholt, um seine Wange daran zu schmiegen. Seine Tränen hatten ihn über Monate durchnässt, bis der Alte ihm auf die Schliche kam und ihn so hart verprügelte, dass die Tränen für immer versiegten.
    » Wer heult, ist ein Schwächling«, hatte der Alte geschrien, während sein Stock unbarmherzig auf dem Hinterteil des Jungen tanzte. » Und für einen Schwächling hab ich mein kostbares Geld nicht verschwendet. Denn Schwächlinge gehen unter – merk dir das gefälligst!«
    Damals schien der Alte ernsthaft erwogen zu haben, ihn zu verstümmeln, um den Bettelertrag zu steigern.
    » Ein hübscher Junge wie du mit roten Lippen und dunklen Locken, so etwas mögen die Leute. Wenn du jetzt noch anständig humpeln würdest, einarmig wärst oder am besten sogar blind …«
    Ein brennender Ast, wie zufällig ganz nah an sein Gesicht gehalten.
    » Nicht die Augen!«, hatte er in wilder Panik geschrien. » Ich werde humpeln oder lernen, meinen Arm unter einer Jacke zu verbergen, damit keiner ihn sieht. Aber rühr meine Augen nicht an!«
    Der Alte hatte von ihm abgelassen, grinsend, als wäre die Drohung nichts als ein übler Scherz gewesen, doch diese Idee kreiste weiterhin in seinem Kopf, lange noch, das konnte er sehen. Viele Bettler, die auf der Straße lebten, verunstalteten gezielt die Kinder, die mit ihnen unterwegs waren. Das Mitleid der Menschen war ihr tägliches Brot. Je mehr sie davon erregen konnten, desto eher wurden sie satt.
    Damals hatte er Tag und Nacht vom Weglaufen geträumt. Alles hatte er versucht, um diesen Traum in die Tat umzusetzen – doch der Alte hatte ihn stets wieder eingefangen und zurückgezwungen. Seine Schläge waren unbarmherziger geworden, je älter er wurde, als hätte er, dem der Junge nun gehörte, genau gespürt, was in dem Jüngeren vorging.
    » Beim nächsten Mal schlag ich dich tot.« Die Zahnstummel des Alten waren über ihm gewesen wie die zerbrochenen Fänge eines alten Wolfs. » Mit meinen Händen drück ich dir die Kehle zu, bis du blau anläufst. Dann fährst du geradewegs zur Hölle – bei den unzähligen Schandtaten, die du inzwischen schon begangen hast.«
    Noch immer ganz im Bann der alten Bilder, schlug er nach Belas Fingern, die ihn zärtlich am Hals gekrault hatten.
    » Du bist ja gar nicht bei mir!«, maulte sie und biss zärtlich in sein Ohr, während ihre Schenkel sich einladend öffneten. Ihr dichtes Vlies erinnerte ihn an dunklen Honig. Es schimmerte feucht, weil sie sich eben erst vergnügt hatten, doch sie reizte ihn schon wieder. » Wozu schick ich eigentlich all die anderen Freier fort, kannst du mir das sagen? Wenn deine Gedanken ständig auf die Reise gehen, anstatt hier zu sein.«
    Sie hatte ihm erzählt, dass Hurenwirt Wolter langsam ungeduldig wurde, weil Stammgäste sich beklagt hätten, und das gefiel ihm ausnehmend gut. Besonders das lange Gesicht von Rutger Neuhaus bereitete ihm Spaß, der manchmal so aufgebracht zum Melatenhaus kam, dass man

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