Die Pestmagd
Tisch, der von Kräuterbüscheln, Holzstücken, Gefäßen, diversen Beutelchen und anderen seltsamen Gegenständen bedeckt war. Sogar Conrat Wolter schien fasziniert von dem, was die Frau feilzubieten hatte.
» So eine wie Ihr hat uns in Köln schon lange gefehlt!«, rief er begeistert. » Denn natürlich hat diese hinterlistige Franzosenkrankheit auch unsere schöne Stadt arg gebeutelt. Zwei meiner besten Mädchen hab ich an sie verloren und damit bares Geld, denn die beiden wussten, wie man Männer zufrieden macht, das könnt Ihr mir glauben! Totgeschröpft und ausgeblutet hat man mir sie, ohne dass sie auch nur einen Deut genesen wären. Zum Schluss waren sie so schwach, dass sie das Bett nicht mehr verlassen konnten.«
» Ach, hört mir doch auf mit dem ganzen Purgieren, Blutabzapfen und Schröpfen«, rief die Frau. » Damit macht man keinen wieder gesund, das weiß niemand besser als ich. Schwitzen? Ja – aber nur, wenn man auch genau weiß, wie.«
Der Mann, der Bela gefolgt war, hielt plötzlich inne und starrte die Besucherin an.
Die alten Narben auf seiner Brust begannen zu brennen, als sei der schwarze Vogel erst vor wenigen Tagen über ihn hergefallen. Ein Schwindel schien ihn zu überfallen, der Dinge hervorzauberte, die er längst vergessen oder vielleicht niemals erlebt hatte.
Etwas Rotes, von dem unablässig Wasser tropfte.
Eine Kammer, deren Wände sich immer enger um ihn schlossen.
Ein Geruch, der sich tief in ihm eingenistet hatte.
Raue Hände, die ihn wegrissen.
Das Gefühl, im nächsten Moment ersticken zu müssen …
Seine Rechte glitt zur Stirn, als wollte sie etwas wegwischen.
Danach tastete er nach seiner Waffe und war erleichtert, die gebogene Klinge zu spüren, die leicht an seinen Schenkel drückte. Er hatte sie Christian gestohlen, schon in der ersten Nacht, die er ohne Fesseln im Lager verbrachte. Lange schon hatte er nach solch einem scharfen Messer Ausschau gehalten. Wer immer sich mit ihm anlegte, würde es zu spüren bekommen.
Mit einem Schlag war er in der Wirklichkeit zurück, hellwach. Mit allen Sinnen auf der Hut, als drohte im nächsten Augenblick ein gefährlicher Angriff.
Die Frau schien bei seinem Anblick kurz zu stocken, während ihr großzügig entblößter Busen sich in Wellen rötete. Dann setzte sie ein geschäftsmäßiges Lächeln auf und redete weiter, atemloser noch als zuvor.
» In meinen Händen liegt der Schlüssel zur Heilung«, sagte sie. » Unscheinbar auf den ersten Blick, doch das Mittel, um die bösen Blattern wieder loszuwerden.« Ihre kräftigen Finger tippten auf ein braungrünes Holzstück mit gelblichem Splint. » Vom Guajakbaum, von sehr weit her und wertvoller als pures Gold.«
» Muss man das essen?«, flüsterte die Schwarze Marusch. » Scheibchenweise? Zerrieben? Oder sich damit einreiben?«
» Wenn das so einfach wäre!«, rief die Frau. » Man nennt es auch Palo santo, ein Name, den neuerdings so einige auf den Lippen führen, aber was will das schon heißen! Natürlich bleibt die Zubereitung dieser Medizin mein Geheimnis. Man hat mir gedroht, damit ich es preisgebe, hat mich verfolgt und gejagt. Diversen Giftanschlägen konnte ich nur knapp entrinnen. Aber wie ihr seht, konnte nichts und niemand mir etwas anhaben: Hier bin ich, gesund und äußerst lebendig.«
» Was ist das da an deinem Unterarm«, fragte er. » Eine Geschwulst? Ein böses Andenken?«
Blitzschnell zog sie den Ärmel ihres Kleides nach unten.
» Ein kleiner Ausschlag. Vollkommen unbedeutend.« Ihre dichten Brauen zogen sich zusammen. » Mein Haus in der Schwalbengassen steht allen offen, die meiner Hilfe bedürfen.« Die Hübschlerinnen begannen verhalten zu kichern, was die Frau allerdings nicht weiter zu irritieren schien. » Das Zeichen der Eule führt euch zu mir. Und so wird auch meine Behandlung sein: leise und weise wie der Vogel der Nacht.« Sie schien kurz Luft zu schöpfen, dann breitete sie die Arme weit aus. » Das jedoch ist bei Weitem nicht alles, was ich anzubieten habe. Dunkelheit hat sich über Köln gesenkt: der Schwarze Tod, vor dem alle zittern.« Verschwörerisch senkte sie die Stimme. » Viele behaupten, gegen ihn sei kein Kraut gewachsen. Ich aber sage euch, sie lügen. Sie wissen nichts. Denn hier, auf diesem Tisch, findet ihr Mittel in Hülle und Fülle, um die Pest erfolgreich abzuwehren: Hyazinthstein, Bisamäpfel, Pestwurz, Gürtel aus Löwenhaut, Riechsteine, Theriak, Pimpernellwurzel, Krebsschalen, Kapaunwasser und vieles, vieles
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