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Die Pestmagd

Titel: Die Pestmagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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Mann, der aufjubelte, als die theologische Fakultät zu Köln Luthers Schriften verurteilte? Der zufrieden darüber war, dass die beiden Ketzer vor den Toren unserer Stadt verbrannten?«
    » Der, den Ihr da hört, der ist ein reuiger Sünder, bereit, Buße auf sich zu nehmen«, erwiderte Hermann von Wied. » Ich werde über meine innere Wandlung im Dom predigen – und die, die noch nicht dem rechten Glauben anhängen, aufrütteln.«
    Der Kanzler packte die Armlehnen des Sessels mit beiden Händen und beugte sich über den Sitzenden.
    » Davon kann ich Euch nur dringend abraten, Exzellenz!« Sein Ton war scharf wie selten zuvor. » Wollt Ihr, dass es zu Ausschreitungen kommt? Der Ausbruch der Seuche hat die Menschen tief beunruhigt. Was die Bürger jetzt brauchen, ist eine besonnene Obrigkeit, die die richtigen Anordnungen erteilt.« Langsam erhob er sich wieder. Seine Lider waren schwer vor Müdigkeit, die Haut unter dem kurz geschnittenen Bart aschfahl. » Bis in die frühen Morgenstunden bin ich auch heute wieder mit den Ratsherren zusammengesessen. Sie sind ebenfalls äußerst besorgt, jedoch fest entschlossen, die Ordnung in unserer Stadt so lange wie möglich aufrechtzuerhalten.«
    Etwas von dem, was er gesagt hatte, schien bis zu Hermann von Wied zu dringen. Seine tief liegenden Augen begannen zu flackern.
    » Was ist geschehen?«, fragte er besorgt.
    » Berichte über besonders dreiste Einbrüche häufen sich«, sagte der Kanzler. » In einigen Häusern liegen Schwerkranke, andere stehen bereits leer. Räuberpack soll sich dort Eintritt verschafft und alles gestohlen haben. Jetzt fürchtet die umliegende Nachbarschaft, als Nächste an der Reihe zu sein.«
    » Hat man die Pesthäuser nicht mit Kreuzen gekennzeichnet?«, fragte der Erzbischof.
    » Eben das ist es ja, was uns allen Sorgen bereitet. Die Einbrüche scheinen sich auf jene Häuser zu konzentrieren.«
    » So lasst Wachen aufstellen! Das wird die Räuber abhalten.«
    » Wachen?« Bernhard vom Hagen stieß ein bitteres Lachen hervor. » Wovon redet Ihr, Exzellenz? Eure halbe Garde hat sich über den Rhein abgesetzt, das wisst Ihr doch! Jeder, der weiß, wohin er fliehen kann, hat Köln bereits verlassen.«
    » Und trotzdem werde ich diese Predigt halten und zur Reform mahnen – und wenn es meine letzte sein sollte.« Hermann von Wied schlug mit der Hand auf die Lehne seines Sessels. » Die Seele ist wichtiger als der Körper, das hat Christus uns gelehrt. Den Tod fürchte ich nicht. Nur wenn die Seele in Gefahr gerät, ist Furcht angebracht.« Er griff nach den Blättern auf dem Tischchen neben sich. » Für heute genug der Argumente! Ich muss mich weiter vorbereiten.«
    » Und ich bitte Euch mit allem Nachdruck, es nicht zu tun, Exzellenz!«, erwiderte Bernhard vom Hagen nicht minder energisch und versetzte dem Tischchen, wie um seinen Argumenten Nachdruck zu verleihen, einen leichten Stoß. » Gerade erst hat Eure Gesundheit sich erfreulich verbessert. Wollt Ihr alles wieder aufs Spiel setzen? Medicus Longolius wird später seine Visite bei Euch absolvieren und Euch neue Medikamente bringen, und was Medicus de Vries betrifft, so soll er …«
    » … nach der Giftmischerin sehen, die morgen hingerichtet wird«, sagte der Erzbischof. » Sie muss bei Bewusstsein sein, wenn man sie zum Galgen führt. Auch das gehört zu seinen Aufgaben, nicht nur die Studenten und mein leibliches Wohl.«
    » Ihr meint die Witwe Arnheim?«
    » Ich spreche von der Wagnerin. Die andere schmort in der camera silentia. Ich denke, sie ist bald so weit.« Er zog das Tischchen wieder näher heran. » Geht jetzt! Ich muss allein sein.«
    Wie eigensinnig und verbohrt der Erzbischof doch sein konnte!
    In den letzten Wochen konnte man förmlich sehen, wie die Last des Alters sich immer schwerer auf seine Schultern senkte. Die protestantische Sache ließ ihn nicht mehr los – ganz im Gegenteil. Er schien regelrecht besessen davon, ganz Köln diesem Irrglauben zuzuführen und sich nicht länger auf die zu beschränken, die ihm schon heimlich anhingen. Die Mitglieder des Domkapitels teilten diese Ansicht nicht, und es gab viele unter ihnen, die sich sehnlichst einen neuen Träger von Bischofsmütze und Stab wünschten, der das Kurfürstentum anders und besser verwaltete.
    Doch was konnten sie tun? An den Kaiser appellieren? Den Erzbischof zum Rücktritt zwingen? Ihn derart in die Enge treiben, dass seine Gesundheit nicht länger mitspielte?
    Während der Kanzler das erzbischöfliche

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