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Die Pestmagd

Titel: Die Pestmagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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Domizil verließ, zuckten Blitze über den abendlichen Himmel. Die Gassen hatten sich geleert, die Menschen suchten den Schutz der Häuser. Die Luft war drückend, aber das war es nicht allein, was über Köln lag. Es roch nach Angst und Tod. Nach Hoffnungslosigkeit, die wie ein schleichendes Gift so rasch in der Stadt um sich griff, dass es kein Mittel gegen sie zu geben schien.
    Bernhard vom Hagen zog seinen Mantel enger um sich, als die ersten Tropfen fielen, und verlangsamte unwillkürlich seine Schritte.
    Seit dem Tod seiner Frau vor drei Jahren bestellte Base Hilusch sein Haus mehr schlecht als recht. Nichts drängte ihn zum Heimkommen, denn sein Dasein war trostlos geworden. Wahrscheinlich hatte sie die Küchenmägde wieder irgendetwas lustlos zusammenpanschen lassen, das er nicht minder lustlos hinunterschlingen würde, wohl Hiluschs Rache dafür, dass er sie keines näheren Blickes würdigte, obwohl ihr Einzug offenbar mit anderen Hoffnungen verbunden gewesen war. Und wenn sie sich nackt vor ihm auf den Boden werfen würde – er würde sie nicht anfassen.
    Der Kanzler blieb stehen.
    Ein schwarzes Kreuz aus verlaufenem Pech stach ihm ins Auge. Eine ungelenke oder nachlässige Hand hatte es zur Abschreckung auf die Haustür gepinselt.
    Ein Pesthaus? Aber warum stand die Tür dann nur angelehnt?
    Er zog sich den Mantelsaum vor den Mund und ging hinein. Drinnen war alles stockfinster. Ohne Fackel würde er nichts erkennen können. Notgedrungen machte er kehrt und ging wieder hinaus, als ihm plötzlich die seltsamen Zeichen am Türstock auffielen.
    Seine Finger strichen darüber.
    Wie von den Krallen einer großen Wildkatze, dachte er. Ein Waldtier, das hier in der Stadt nichts zu suchen hatte – wenn die Einkerbungen denn von einem Tier stammten.
    Hatte er so etwas Ähnliches nicht gesehen, als sie nach dem Mädchen und seiner Mutter gesucht hatten, die beide spurlos verschwunden waren?
    » Sieh an, der Kanzler Seiner Exzellenz!«, hörte er eine spöttische Männerstimme hinter sich sagen. » Hast du dich verlaufen, Bernhard?«
    Widerwillig drehte er sich um.
    Erst auf dem Sterbebett hatte sein Vater diesen Bastard eingestanden, der von der einfachen, aber ehrlichen Familie Neuhaus an Sohnes statt angenommen und großgezogen wurde. Bernhard hatte Rutger niemals gemocht, weder den zornigen Jüngling, der so verzweifelt nach Reichtum und Ansehen gestrebt hatte, noch den in die Jahre gekommenen, feist gewordenen Handelsherrn und Rheinmeister, der noch immer nicht satt geworden schien.
    » Ich komme gerade vom Erzbischof«, sagte der Kanzler. » Und bin rechtschaffen müde.«
    Rutger versetzte ihm einen freundschaftlichen Stoß.
    » Lass uns einen Becher gemeinsam trinken, so selten wie wir beide zusammenkommen! Dort drüben im › Goldenen Einhorn‹.« Er wies auf das verbeulte Schild. » Die Taverne mag einfach sein, doch den Wein, den sie ausschenken, kann man saufen.«
    Bernhard vom Hagen hatte plötzlich wieder den verschlagenen Ausdruck der Wirtin vor Augen und erinnerte sich an die seltsamen Worte des Einäugigen. Er zögerte.
    » Ich weiß nicht recht. Wo so seltsames Volk verkehrt …«
    » Du bist hochnäsig, großer Bruder«, sagte Rutger Neuhaus. » Solltet ihr die Menschen nicht kennen, die ihr regiert?«
    » Siehst du diese Zeichen?«, fragte der Kanzler stattdessen. » Dort, am Türstock?«
    » Ein Pesthaus«, sagte Rutger Neuhaus. » Eines von vielen.«
    » Sieht ganz so aus, als wäre dieses Haus aufgebrochen und ausgeplündert worden wie so viele andere. Aber wieso dann diese Zeichen? Hab sie schon einmal gesehen.«
    Der Jüngere trat einen Schritt vor und musterte den Türstock flüchtig.
    » Ich sehe nur ein paar Kratzer«, sagte er kopfschüttelnd. » Womöglich sind sie entstanden, als sie die Toten rausgeschleppt haben. Wenn alle blind vor Angst sind, kümmert sich doch niemand mehr um dergleichen.« Seine Antwort war so schnell gekommen, dass Bernhard vom Hagen ein seltsames Gefühl beschlich.
    » Weißt du vielleicht mehr darüber?« Er fasste seinen Halbbruder fest ins Auge. » Sind dir irgendwelche Gerüchte untergekommen? Du behauptest doch immer, du würdest das Gras in Köln wachsen hören!«
    » Ich? Wie kommst du denn darauf? Für Gerüchte bin ich nicht zuständig. Mein Geschäft sind Wein, Gewürze und feine Stoffballen«, erwiderte Rutger mit einem schrägen Lächeln. » Wer nicht adlig geboren ist und kein Land besitzt, muss eben arbeiten, bis er in die Grube fällt: Und jetzt

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