Die Pestspur
Tischdecken aufbewahrte, und zu der nur sie den Schlüssel hatte.
Rosalinde hatte noch nicht richtig mit der Zubereitung der Speisen angefangen, und Konstanze hatte soeben die naturfarbene Leinendecke über die Tischplatte gezogen, als es im Flur polterte und Rochus Höss ohne zu klopfen hereinplatzte.
»Gott zum Gruße!«, rief er so laut, als müsste er quer durch den Kaisersaal in Aachen rufen, um verstanden zu werden.
»He, he, he!«, bremste Konstanze den ungestümen Bauern, der offensichtlich gut aufgelegt war, aus. »Wir sind nicht schwerhörig! … Und streift erst Eure Schuhe ab, bevor Ihr eintretet.«
Rochus klopfte die dicken Stiefel ab und schlenzte seinen Rucksack herunter. Wortlos begann er darin zu kramen.
»Das ist für den Wachszieher! Ich möchte Euch die Ehre zugestehen, es ihm höchstpersönlich und hochoffiziell zu bringen«, lachte er und knallte ein großes Stück Fleisch so fest auf den Tisch, dass der Kastellan und Diederich erschrocken zurückwichen.
Konstanze sah den Bauern entsetzt an und nahm das Fleisch vom Tisch. Aber es war zu spät: Die Tischdecke war bereits voller Blut.
»Scheiße!«, entfuhr es ihr versehentlich, während sie der verdutzten Rosalinde den mit Sehnen und Fett durchzogenen Fleischbrocken in die Hände drückte.
Nachdem sie die Tischdecke mit einem Zug vom Tisch gerissen und ihrer Wut Luft gemacht hatte, mischte sich ihr Mann, der dem Disput schmunzelnd zugesehen hatte, ein: »Jetzt ist es aber gut, Konstanze«, gebot er in ungewöhnlich energischem Ton.
Der Bauer bedankte sich dafür mit einem kurzen Blick und nutzte – jetzt, nachdem er zu Wort kommen konnte – die Gelegenheit, um sich bei der Hausherrin zu entschuldigen: »Es tut mir leid, edle Frau. Könnt Ihr mir noch einmal verzeihen?«
Nachdem er sich dazu eine unterwürfige Geste hatte einfallen lassen, die mehr als tollpatschig aussah, winkte Konstanze ab und fragte ihn, ob er etwas trinken wolle.
»Danke, Herrin. Aber ich muss weiter. Heute ist zwar der Tag des Herrn, aber ich habe noch viel zu tun und muss schleunigst wieder nach Hause. Meine Frau wartet auf mich.«
Währenddessen betrachtete der Kastellan den Fleischbrocken.
»Da habt Ihr Euch aber nicht lumpen lassen und für die Familie des Wachsziehers ein großes Stück aus der saftigen Rinderhüfte geschnitten«, stellte er anerkennend fest. »Und ich muss es jetzt an Eurer statt zum Wachszieher bringen. Ja glaubt Ihr denn, dass ich nichts anderes zu tun habe?«, schimpfte er noch.
Aber der schlitzohrige Bauer ging nicht darauf ein und antwortete stattdessen: »Ja! Das ist fürwahr ein großes Stück. Das würden sonst die Sesselfurzer in Immenstadt fressen. Aber ich habe auch etwas für Euch dabei«, sagte er zu Konstanze und zog betont langsam den Pansen der geschlachteten Kuh, den er am Stück gelassen hatte, heraus.
Beim Anblick der blütenweiß erscheinenden Magenwände begannen Konstanzes Augen zu glänzen. Wenn sie wegen der versauten Tischdecke noch etwas Groll gegen den Bauern in sich gespürt hatte, war dieser spätestens jetzt vergessen.
»Ihr habt ihn bereits gesäubert?«
»Ja, Herrin! – Das heißt, mein Weib hat den Pansen in Salzwasser ausgekocht. Ihr braucht ihn nur noch mundgerecht zu kochen und zu schneiden, um eine Einbrenn daraus machen zu können. Dann habt ihr den schönsten Kuttelfleck, den Ihr Euch vorstellen könnt.
»Fürwahr ein sauberes Stück … aber nicht für jetzt. Das kommt erst einmal ins Eisloch«. Sie überlegte kurz. »So! Und nun möchte ich nicht unhöflich sein …«, sagte sie und öffnete die Tür. »Ihr habt ja selbst gesagt, dass Eure Frau und sicherlich auch Eure Kinder auf Euch warten.«
Als der Bauer Anstalten machte, zu gehen, hielt der Kastellan ihn zurück: »Wartet einen Moment, Herr Höss.« Fast gleichzeitig trug er Diederich auf, Eginhard zu holen.
Der Bauer drehte sich um.
»Ist noch was? – Ach ja: Gesegnete Weihnacht!«
»Das habe ich nicht gemeint«, wollte der Kastellan den Bauern aufklären.
Schon kam Diederich mit Eginhard zurück.
Der Vater zeigte auf die Rinderhüfte und bat seinen Sohn, Herrn Höss ins Dorf hinunter zu begleiten und das Fleisch dem Wachszieher zu bringen.
»Das tu ich doch gerne«, sagte Eginhard lächelnd und machte sich auf den Weg zur Bubenkammer, um seine Stiefel, den Umhang und die Strickmütze zu holen.
»Was tust du gerne, Bruderherz?«, fragte Lodewig, der ihm entgegen kam und gehört hatte, was Eginhard gesagt hatte.
»Frag
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