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Die Pestspur

Die Pestspur

Titel: Die Pestspur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Wucherer
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dunkel gewandete Person kam auf sie zu. Was für ein Tag, seufzte Lodewig innerlich, während er still verharrte und hoffte, die Angst einflößende Gestalt möge nicht in ihre Richtung gehen. Sie hatten Glück; der Mann blieb in einiger Entfernung stehen und schien, den Geräuschen nach zu urteilen, an seiner Gewandung herumzunesteln.
    Was tut der nur?, fragte sich Lodewig, der seine Antwort bekam, als es anfing zu plätschern. Wenn er seinen Bruder schützen wollte, durften sie sich jetzt nicht bewegen. Erst als der Mann sein Geschäft erledigt und erfolglos versucht hatte, auch den letzten Tropfen herauszuschütteln, beruhigte sich Lodewig etwas. Da die Gefahr, entdeckt zu werden, aber bei Weitem nicht vorüber war, mussten sie noch so lange still halten, bis der Mann dorthin zurückging, von wo er gekommen war. Er legte seinem Bruder den Arm um die Schultern, da dieser heftig zitterte.
    »Na, können Gespenster pieseln?«, versuchte er zu spaßen, obwohl ihm eigentlich nicht danach war. Was hecken die da bloß aus, fragte er sich, während er beruhigend über Diederichs Kopf streichelte. Als der Kleine etwas sagen wollte, drückte ihm Lodewig sanft den Mund zu und beschwor ihn: »Du musst jetzt ganz still sein. Ich schleiche mich kurz hinüber, bin aber gleich wieder hier. Hörst du, Diederich?«
    Sein Bruder nickte folgsam, aber wohl war ihm dabei ganz und gar nicht.
    Schnell schlich Lodewig in die Richtung, aus der die Stimmen gekommen waren und wohin die unheimliche Gestalt wieder zurückgegangen war. Er huschte von Grab zu Grab und nutzte jeden Baum als Deckung, so lange, bis er dem Getuschel ganz nahe gekommen war und schemenhaft zwei Gestalten sah. Als er nur wenige Schritte von ihnen entfernt war, suchte er Schutz und fand diesen hinter einem Erdhaufen. Während er verschnaufte, lugte er vorsichtig hervor und sah, dass der eine gestikulierend auf den anderen einredete.
    Den kenne ich doch, wäre es Lodewig fast herausgerutscht. Er hatte den neuen Totengräber ausgemacht. Dumm war nur, dass er die andere Person nicht erkennen konnte, weil diese mit dem Rücken zu ihm an einem Baum lehnte.

    *

    Die Staufner suchten die Gräber ihrer Verstorbenen nur selten auf, weil hier immer noch viel Aberglauben aus keltischen und alemannischen Zeiten vorherrschte und immer wieder unheimliche Geschichten über rastlose Geister von Toten die Runde unter den gutgläubigen Menschen machten. Sie trauten sich nur am hellen Tag auf den Gottesacker, um ihre Toten zu besuchen. Außerdem war der um die Pfarrkirche herum angelegte Friedhof, den man deswegen auch als Kirchhof bezeichnete, im Gegensatz zu früheren Zeiten kein Ort mehr, an dem man sich zu einem gemütlichen Schwätzchen traf. Umso merkwürdiger kam Lodewig dieses geheimnisvoll wirkende Treffen vor, weswegen er das Gefühl hatte, dass der Teufel selbst die Glut seiner Neugier schürte. Wenn sich der Totengräber um diese Uhrzeit mit einem Fremden auf dem Kirchhof trifft, um etwas zu besprechen, verheißt dies nichts Gutes, überlegte Lodewig, dessen Neugierde jetzt so gewaltig geweckt war, dass er über die einbrechende Dunkelheit hinwegsah und nicht mehr an den Nachhauseweg dachte.
    Wenigstens vergaß er seinen Bruder nicht. Um zu verhindern, dass der Kleine die beiden Männer auf sich aufmerksam machen konnte, schlich sich Lodewig zu ihm zurück.
    »Schhh! … Leise!«, beschwor er ihn, bevor er ihm erklärte, sie müssten jetzt ganz still sein, weil dort drüben zwei Männer seien, zu denen sie jetzt gemeinsam hinüberschleichen würden.
    »Ich muss unbedingt wissen, über was die reden«, flüsterte Lodewig Diederich ins Ohr und nahm ihn an die Hand. Nachdem die beiden ihre Position hinter dem Erdhaufen eingenommen hatten, strich er Diederich wieder übers Haar und deutete ihm nochmals, still zu sein. Aber es half nichts. Möglicherweise lag es an der langsam hereinbrechenden Dunkelheit, dass Diederich – der noch nie ohne elterliche Begleitung und wenn, dann nur bei Tage auf dem Kirchhof gewesen war – schon bald zu schniefen anfing.
    »Schhh!«, forderte ihn sein älterer Bruder wieder auf, still zu sein. Er wollte hören, worüber sich die beiden finsteren Gestalten unterhielten. Obwohl er wusste, dass die Mutter und vielleicht auch schon der Vater auf sie warteten und sie längst zu Hause sein müssten, wollte sich der Größere nicht von seinem Vorhaben abbringen lassen.
    Er drückte den verängstigten Diederich fest an sich und sah im fahlen Schein des

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