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Die Pestspur

Die Pestspur

Titel: Die Pestspur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Wucherer
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Lodewig so laut er konnte, als er seinen Bruder aus den Niedergewächsen des Waldrandes stolpern sah. Der Kleine war heilfroh, dass er ihn gefunden hatte.
    Als sie endlich am Dorf angekommen waren, sah Lodewig jemanden von der Kirche her kommen und in Richtung des Bechtelerhofes einbiegen. Hastig gebot er Diederich, sich nicht von der Stelle zu rühren, bis er wieder zurück sei.
    »Ich gehe nur schnell zu den Leuten rüber.« Dabei zeigte er auf die – wie er jetzt ausmachen konnte – zwei Männer und rannte rufend hinter ihnen her. »Melchior! Was machst du denn hier?«, fragte Lodewig etwas verwirrt, nachdem sich die beiden umgedreht hatten.
    Melchior dachte, sein Freund wolle sich darüber beklagen, weil er nicht zum verabredeten Zeitpunkt auf den Staufenberg gekommen war.
    »Es tut mir leid, dass ich nicht da war, aber wir suchen Frau Föhr, die Bäckersfrau«, entschuldigte er sich und berichtete auf die Schnelle, was vorgefallen war und dass sie einer der Suchtrupps seien, die er zusammengestellt hatte.
    Lodewig warf einen Blick zu Diederich und überlegte, ob er mit ihm nach Hause gehen oder Melchior zum Leprosenfriedhof begleiten sollte. Da er Angst vor Ärger hatte, zog er es vor, seinen Freund beiseite zu nehmen und ihm zu erzählen, was er soeben entdeckt hatte.
    »Tu so, als hättet ihr sie gefunden. Lass mich aus dem Spiel. Ich danke dir … und ich verlasse mich auf dich, mein Freund«, schloss er seinen Bericht ab.
    Melchior war entsetzt über das soeben Gehörte, nickte dennoch verständnisvoll und sagte zu dem anderen in gespielter Gelassenheit: »Lass uns dort weitersuchen. Wir gehen in diese Richtung!« Dabei zeigte er zum Leprosenfriedhof.

    *

    Lodewig wollte nichts anderes, als möglichst schnell nach Hause kommen. Er eilte zu Diederich zurück, der ihm einen Hornkäfer zeigte. Dieser klammerte sich an einen Zweig, den das Kind fasziniert immer heftiger bewegte, aber er konnte ihn nicht wegschleudern. Doch dafür hatte Lodewig jetzt keinen Sinn, auch wenn er froh war, dass der Bruder nichts von dem Grauen mitbekommen hatte. Sie mussten jetzt durch das Dorf und dann den Schlossbuckel hoch, bevor sie sich – auf welchem Weg auch immer – in den Schlosshof schleichen konnten, um ihre Abwesenheit vor den Eltern zu verheimlichen.
    Lodewig, in Gedanken an die tote Frau vertieft, war wie ein aufgezogenes Uhrwerk weitergelaufen und schon fast an der Staufner Pfarrkirche St. Petrus und Paulus vorbei, als er sich nach Diederich umdrehte. Wo ist dieser Schlingel schon wieder?, dachte er und rief nach seinem Bruder, während er fluchend zurücklief. Aber Diederich war nirgends zu sehen. Zuletzt fand er ihn wie angewurzelt an der Mauer des Kirchhofs stehen.
    »Was ist denn, warum kommst du nicht?«, fragte er ihn ungeduldig.
    »Lodewig, da gibt es Geister«, seine Stimme zitterte. »Da«, er deutete zum Friedhof, »ich hab’ es ganz deutlich gehört, da lachen welche – wie Geister, echte Geister! Da spukt es … ehrlich.«
    Am liebsten hätte Lodewig ihn gepackt und weitergezogen.
    »Das gibt es nicht, Bruder, das bildest du dir nur ein!«
    Was war Diederich doch für ein Hasenherz. Lodewig zögerte, lauschte, nichts war zu hören.
    »Aber da waren Stimmen, ganz deutlich, und die haben ganz grässlich gelacht.«
    Wie konnte er seinen Bruder nur von dieser Ängstlichkeit kurieren? Nachschauen, konfrontieren, da half alles nichts.
    »Also gut, wir sehen schnell nach«, knurrte er.
    Lodewig erinnerte sich an das alte Mauerloch, durch das man auf den Gottesacker schlüpfen konnte. Früher war dies noch möglich gewesen. Seit aber der ehemalige Leichenbestatter selbst in einem der Gräber lag und hier ein anderer das Sagen hatte, war das Betreten des Kirchhofes für Kinder strikt verboten worden. Dennoch zog er seinen Bruder kurz entschlossen dorthin.
    »Von mir aus, ich zeig’ dir, dass da nichts und niemand ist, damit du ein für alle Mal mit der Narretei aufhörst!« Er schlüpfte mit ihm durch das Mauerloch, dann hielten sie still und lauschten. Lodewig wollte schon zufrieden sagen: »Na, glaubst du mir jetzt?«, da hörte er Stimmen. Oder täuschte er sich? Doch, zweifellos hörte er die Stimme eines Mannes, der auf jemanden einzureden schien. Er konnte zwar nur ein Flüstern vernehmen, wusste jetzt aber, dass sich auf dem Kirchhof außer ihm und Diederich mindestens zwei andere Leute aufhalten mussten. Bei Lodewig läuteten die Alarmglocken. Die Brüder duckten sich hinter einen Grabstein. Eine

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