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Die Pestspur

Die Pestspur

Titel: Die Pestspur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Wucherer
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hatte, dass Konstanze kaum noch atmete und nicht die Augen zu öffnen vermochte, sprach er das von ihrem Mann gewünschte Gebet und segnete sie, bevor er sie sicherheitshalber salbte und auf Stirn, Mund und Brust bekreuzigte. Danach hielt er ihr noch einen Moment tröstend die Hände und ging schweren Herzens in die Kapelle zurück, um endlich mit der Messe zu beginnen. Aber Lodewig war immer noch nicht hier.
    Während der Vater ungehalten zu werden drohte, blieb Eginhard ruhig. Er konnte sich schon denken, wo sein Bruder war. »Wenn er in fünf Minuten nicht da ist, gehe ich ins Dorf, um ihn zu holen«, schlug er seinem Vater vor.
    »Du weißt, wo er ist?«
    »Ja!«
    Eginhard hörte ein Knarzen und schaute über seine Schulter zur Kapellentür. »Aber das hat sich erledigt. Da kommt er ja.«
    »Endlich!«, rief der sichtlich erleichterte Vater seinem mittleren Sohn entgegen.
    Anstatt etwas zu sagen, drehte sich Lodewig um und machte eine aufmunternde Geste. »Kommt herein … Traut euch nur.«
    Für einen Moment waren alle derart erschrocken, dass niemand das Zuschlagen der Kapellentür registrierte.
    »Jesus und Maria. Die Juden!«, entfuhr es dem Propst, gottlob so leise, dass es niemand hören konnte. Dennoch spürte Jakob Bomberg, dass sie in diesem Gotteshaus ein Fremdkörper waren und dass die Anwesenheit seiner Familie zu Irritationen bei den Priestern und den Gläubigen führte.
    »Lass uns wieder gehen. Wir sind hier unerwünscht«, tuschelte er seiner Frau zu, während er sich schon zum Gehen wandte.
    »Nein!«, entgegnete sie ihm zwar leise, aber in forschem Ton. »Wir können nicht immer davonlaufen.«
    Judith hielt ihren Mann am Ärmel fest und schaute ihm mit festem Blick in die Augen. Dann trat sie einen Schritt vor und meldete sich in geziemendem Ton zu Wort: »Wir wissen wohl, dass dies das Haus Eures und nicht unseres Glaubens ist. Deswegen betreten wir es mit dem nötigen Respekt. Da es aber der Tempel des Herrn und unseres gemeinsamen Gottes ist, bitten wir Euch, uns Einlass zu gewähren und uns dieses eine Mal in Eurem Kreise aufzunehmen.«
    Jetzt war es so still, dass man überhaupt nichts mehr hören konnte.
    Da trat Sarah an die Seite ihrer Mutter und meldete sich mutig zu Wort: »Wir möchten nur Abschied von Eurer werten Frau, eurer geliebten Mutter …«, als Sarah zuerst den Kastellan, dann Eginhard und danach den kleinen Diederich ansah, musste sie mit sich kämpfen, bevor sie den Satz zu Ende sprechen konnte: »…und Eurer Herrin nehmen. Es wäre uns eine Ehre, den Schmerz mit Euch allen teilen zu dürfen.«
    Obwohl auch der Kastellan einen etwas verwunderten Eindruck ob des unerwarteten Besuches gemacht hatte, war er jetzt tief ergriffen. »Noch ist sie nicht tot!«, entfuhr es ihm dennoch in einem Ton, den er eigentlich gar nicht hatte anschlagen wollen.
    Als er sich wieder gefasst hatte, ging er mit Eginhard auf die Bombergs zu und reichte ihnen die Hand. »Entschuldigt: Die Sorge um meine Frau hat mich so unwirsch reagieren lassen! Tretet ein. Ihr seid hier herzlich willkommen. Weder die Krankheit noch der Tod unterscheidet zwischen den Konfessionen.«
    Dies war zu viel für Lodewig. In seinem Inneren begannen die Gefühle verrückt zu spielen, was sich in einem argen Weinkrampf äußerte. Dennoch bekam er sich schnell wieder in den Griff. Als aber Eginhard sanft seinen brüderlichen Arm um ihn legte, ging es wieder los. Die Gedanken schwirrten Lodewig nur so durch den Kopf. Er wusste jetzt gar nicht mehr, was los war und wie es weitergehen sollte.
    »Sarah ist wahrhaftig hier«, flüsterte er. »Sie ist hier, hier im Schloss.«
    Der Gedanke daran tat ihm für den Bruchteil einer Sekunde unendlich gut. Aber der Grund für das Kommen der Bombergs ließ den flüchtigen Gedanken, der nicht die Zeit gehabt hatte, sich in Glück zu verwandeln, sofort wieder ins Gegenteil kehren.
    Da sich Lodewig an Sarahs Schulter ausweinte, merkten auch diejenigen, die noch nichts von dem Verhältnis der beiden zueinander gewusst hatten, was die jungen Leute verband. Niemand war jetzt mehr im Raum, den es nicht gepackt hatte. An den Beginn des Gottesdienstes konnte beim besten Willen noch nicht gedacht werden.
    Da der Propst ein zwar nicht immer einfühlsamer, aber ein besonnener Mann Gottes war, wartete er den richtigen Zeitpunkt ab, um das Wort zu ergreifen. »Bitte! Beruhigt euch!«, rief er so laut, dass es von den Wänden hallte. »Beruhigt euch doch«, wiederholte er jetzt in sanftem Ton. »Ihr

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