Die Pestspur
beherbergen.«
»Mach dir keine Gedanken, Vater. Ich komme schon zurecht. Du weißt, dass ich mir ganz gut selbst zu helfen weiß. Du kannst dich auf mich verlassen und mit Ignaz und deinem neuen Helfer … wie heißt er noch?«
»Du meinst Fabio.«
Eginhard schlug sich mit der flachen Hand an die Stirn.
»Na klar: Fabio! – Jedenfalls kannst du mit Lodewig, ihm und Ignaz getrost in den Wald gehen, um das Wild zu füttern, ohne dir Gedanken um mich machen zu müssen.«
»Wenn diese Arbeit nur schon getan wäre«, seufzte der Kastellan.
Eginhard drückte seinen Vater an sich. »Ich bin allerspätestens übermorgen wieder zurück … wenn ich das ganze Geld versoffen habe«, scherzte er und meinte damit die beiden Taler, die ihm sein Vater in die Hand gedrückt hatte.
»Vergiss aber nicht, auch auf Mutters Gesundheit zu trinken!«, scherzte der Vater zurück.
Die beiden mussten herzhaft lachen.
»Gib ihr ein Küsschen von mir«, rief Eginhard noch, bevor er aus dem Schlosstor preschte.
Es war eine schwere Arbeit. Der Kastellan war froh, auch Lodewig und Fabio dabei zu haben. So war es möglich geworden, sich in zwei Gruppen aufzuteilen. Jeden Morgen stapften sie vollbepackt in einen anderen Teil der ausgedehnten Wälder, um dort ungefähr acht Fuß große Löcher in den Schnee zu graben, damit das Wild wenigstens kleine Möglichkeiten zur Äsung hatte. Außerdem legten sie an anderen Stellen Heu und die von Lodewig und Diederich im Herbst gesammelten Kastanien und Eicheln aus.
*
Zwei Wochen waren vergangen, seit Eginhard Immenstadt besucht hatte, um Vaters Brief zu übergeben und das Beweismaterial abzuliefern. Aufgrund der inhaltlichen Brisanz des Schreibens und Eginhards mündlicher Berichterstattung hatte Oberamtmann Conrad Speen den elitären Boten aus Staufen tatsächlich darum gebeten, die Nacht in Immenstadt zu verbringen, damit etwas Zeit bleiben würde, um wenigstens einige Gerichtsbeisitzer und ein paar Honoratioren der Stadt informieren zu können. Auf seinen Wunsch hin sollten sie die unglaubliche Geschichte aus erster Hand erfahren. Der ranghöchste Beamte des Grafen hatte auch nach Stadtamtmann Hans Zwick schicken lassen, der nur allzu gerne bereit gewesen war, in einer Prüfkommission mitzuwirken oder dieser sogar vorzustehen. Der oberste Leiter städtischer Belange war gleichzeitig auch oberster Richter des rothenfelsischen Gebietes und hatte sich in der Vergangenheit schon öfter als unnachgiebiger Vertreter der gräflichen Gesetze gezeigt.
»Endlich rührt sich wieder was«, hatte er zum Büttel , der ihm Speens Botschaft übermittelt hatte, gesagt, nachdem er die Kurzmitteilung des Oberamtmannes gelesen hatte.
Eginhard hatte pflichtbewusst dessen Bitte erfüllt und war in Immenstadt geblieben. Allerdings hatte er auf ausdrücklichen Wunsch Speens hin nicht im Marstall, sondern im Schloss Quartier bezogen.
Die ihm aufgetragene Mission in der Residenzstadt hatte Eginhard erfolgreich hinter sich gebracht und war schon anderntags wohlbehalten nach Staufen zurückgekehrt, wo ihn seine Mutter sehnlichst erwartet hatte. Seither kümmerte er sich wieder um sie. Parallel zu ihrer Gesundung ging im Schloss alles seinen gemächlichen Gang. Bis auf Rudolph, der wachfrei hatte und schlief, liefen alle mehr oder weniger gemächlich ihrem Tagwerk hinterher. Man spürte an allen Ecken und Enden, dass die strenge Hand der Hausherrin fehlte, weil sie sich noch schonen musste. Und der Kastellan war derzeit auch zufrieden, ohne dass alles auf Hochtouren lief. Der Winter lähmte immer noch Mensch und Natur. Außerdem gab ihm Heinrich Schwartz’ Gefangennahme das wohltuende Wissen, etwas Großes getan zu haben, was sich in einem anhaltenden Gefühl innerer Zufriedenheit äußerte. Am glücklichsten allerdings war er über über die Genesung seiner Frau, er war darüber sogar derart glücklich, dass er die allmorgendliche Arbeitseinteilung, deren Überwachung und organisatorische Dinge etwas schleifen ließ und sich stattdessen lieber um seine Familie kümmerte. So ließ er es sich im Kreise seiner Lieben gut gehen und genoß den Müßiggang – ein Gebaren, das er zwischendurch schon längst hätte an den Tag legen sollen. Aber hierzu hatte man ihm zuerst den Spiegel vorhalten müssen; denn erst durch die lebensbedrohende Krankheit seiner geliebten Frau war ihm so richtig bewusst geworden, wie vergänglich das irdische Dasein war. Obwohl in diesen unsicheren Zeiten der Tod an jeder Hausecke oder in
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