Die Pestspur
Fabio beim Brand des Heustadels umgekommen ist. Deswegen wird er nicht gerade stolz auf die Ruhmestat sein und in Staufen niemandem davon erzählt haben. Um allerdings eine Aufhebung des Marktverbotes zu erwirken, können sie die Sache nicht geheim halten. Sie müssen dem Oberamt in Immenstadt irgendwie stecken, dass der Tod des Wachsoldaten durch den Tod des Täters mittlerweile gesühnt worden ist.«
»Und wo ist Fabio jetzt?«, fragte ein nachdenklicher Schlossverwalter am Ende der Ausführungen seines klerischen Freundes.
»Ich habe ihn zu einem sicheren Platz geschickt. Dennoch kann er dort nicht lange bleiben.«
»Und was habe ich damit zu schaffen?«
Der Seelsorger atmete tief durch. »Also gut: Ich richte die freundschaftliche Bitte an dich, diesem armen Tropf vorübergehend Asyl im Schloss zu gewähren.«
Der Kastellan war über dieses Ansinnen erstaunt und schüttelte zunächst energisch den Kopf. Dann nahm er einen kräftigen Schluck und überlegte ein Weilchen. »Du hast auch schon viel für mich getan«, murmelte er im Hinblick auf die Unterrichtung seiner Söhne und den geistlichen Beistand anlässlich der Krankheit seiner Frau. Dabei fuhr er sich mit der Hand durch sein lockiges Haar, warf es zurück und rieb sich den Bart. Gleich darauf sagte er: »Also gut, mein Freund. Wenn ich dir dadurch einen Gefallen tue. Aber nur, sofern ich ihn in die tägliche Arbeit einspannen darf.«
Dem Propst fiel ein Stein vom Herzen. »Natürlich Ulrich! Natürlich! Nimm ihn richtig ran. Ich weiß, dass Fabio arbeiten kann … wenn ihn eine feste Hand führt.«
Kapitel 46
Ulrich Dreyling von Wagrain hatte die Sache mit dem aufgedeckten ›Pestbetrug‹ schnellstens aktenkundig werden lassen. Jedenfalls hatte er gleich nach Heinrich Schwartz’ Gefangennahme Melchior Henne damit beauftragt, nach Immenstadt zu reiten, um Oberamtmann Conrad Speen ein hastig verfasstes Sendschreiben zu übergeben. Mangels Pferden in Staufen war Melchior einer der wenigen jungen Burschen des Dorfes, der richtig reiten konnte. Da weder der Schlossverwalter noch seine beiden erwachsenen Söhne abkömmlich und an Konstanzes Lager vonnöten gewesen waren, hatte er zum ersten Mal seinen ›Raben‹ verliehen, was er unter normalen Umständen niemals getan hätte. Aber er hatte gewusst, dass Melchior Henne ein ehrbarer junger Mann war, dem er vertrauen und auf den er sich stets verlassen konnte.
»Vielleicht wird aus dem schneidigen Burschen einmal unser Ortsvorsteher«, hatte er schon mehrmals unverhohlen in der Öffentlichkeit geäußert.
Erst nachdem sich der Gesundheitszustand seiner geliebten Frau merklich verbessert hatte, war es ihm gelungen, in aller gebotenen Sorgfalt einen weiteren Brief zu verfassen, in dem alles stehen sollte, was es aus seiner Sicht mit der vermeintlichen Pestepidemie in Staufen auf sich hatte.
»So! Nur noch das Siegel«, murmelte er, nachdem er die Schreibfeder beiseite gelegt und das Papier zusammengefaltet hatte. Danach rief er Eginhard zu sich ins Arbeitszimmer.
»Ich bin fertig!«, antwortete der Erstgeborene, der bereits wusste, was sein Vater von ihm wollte, noch bevor er die Tür hinter sich geschlossen hatte.
»Gut, mein Sohn. Gib diesen Brief Oberamtmann Speen und grüß ihn von mir.«
»Ja, Vater!« Eginhard nickte und streckte die Hand nach dem versiegelten Schreiben aus. Er freute sich darauf, nach langer Zeit wieder einmal durch die wilde Natur am Alpsee vorbei ins ›Städtle‹ reiten zu dürfen.
»Hast du alles?«
Eginhard ging zum Fenster und wartete, bis sein Vater sich zu ihm gesellte. Er zeigte auf sein Pferd. »Siehst du, mein Rappe ist bereits gesattelt und bepackt. Der gute Ignaz hat mir gleich zwei Decken hinter den Sattel gebunden – zur Not kann ich also in Immenstadt übernachten. Außerdem hat mir Rosalinde einen Riesenranken Brot und den Rest des Specks von Rochus Höss eingepackt.«
»Dann kannst du dir die Zeit nehmen, um alle Fragen der Immenstädter zu beantworten und musst nicht sofort wieder heimwärts drängen. Wahrscheinlich werden sie auf die Schnelle eine Kommission zusammenstellen … aber das geht nicht von jetzt auf gleich«, mutmaßte der Kastellan, bevor er seinem Sohn weitere Instruktionen gab: »Also ist es wahrscheinlich, dass du die Nacht in Immenstadt verbringen wirst. Wende dich an den gräflichen Marstallleiter, einen gewissen Ellus Witzigmann, und gib ihm dies …« Er drückte Eginhard zwei halbe Taler in die Hand.
»Er wird dich
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