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Die Pestspur

Die Pestspur

Titel: Die Pestspur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Wucherer
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einzumischen und zu versuchen, die Situation zu entschärfen, hatten es die Feiglinge ihren Frauen überlassen, Vorräte zu beschaffen – wie und auf welche Art und Weise dies geschah, war ihnen offensichtlich egal.

    *

    Den Lärm hörte man jetzt sogar bis zum Schloss hoch. Konstanze hatte Diederich gleich nach ihrer Rückkehr in Rosalindes Obhut gegeben und stand jetzt einige Schritte vom Tor entfernt an der nordwestlichen Ecke vor dem Schloss, von wo aus sie zwar nicht direkt auf den Markt, aber auf ihr geliebtes Staufen hinunterschauen konnte.
    »Habt Ihr Sorgen, Herrin?«, fragte der Wachhabende, der schon ein ganzes Weilchen darauf wartete, das Tor wieder schließen zu dürfen.
    Konstanze drehte sich um und seufzte: »Ach Rudolph, ich glaube, dass schlimme Dinge auf uns zukommen.« Da sie merkte, dass der Wachmann nichts damit anfangen konnte, erzählte sie ihm, was auf dem Markt gerade los war. Rudolph nahm seinen Helm ab und kratzte sich nachdenklich am Kopf.
    »Hast du Flöhe?«, fragte Konstanze entsetzt. »Dann müssen wir etwas dagegen unternehmen.«
    »Nein, nein, Herrin!«, beeilte sich der Wachhabende abzuwinken. Er wusste ganz genau, was auf ihn zukommen würde, wenn sich Flöhe, Läuse oder anderes Ungeziefer bei ihm eingenistet hätten; seine Herrin höchstpersönlich würde ihm den Kopf kahl scheren, ihn so lange mit Essig abreiben, bis er knallrot würde und ihm danach auch noch einen Umschlag aus einem brennenden Gemisch gelöschten Kalks und verschiedener Kräuter anlegen. Aber das würde noch nicht alles sein; der Kastellan selbst würde darüber wachen, dass er sich die Schambehaarung abrasierte und ihm über seinem besten Stück die gleiche, an dieser Stelle aber noch schmerzhaftere Behandlung angedeihen lassen. Auch wenn hier im Schloss verhältnismäßig großer Wert auf Hygiene gelegt wurde, konnte Rudolph gerne auf diese mehr als unangenehme Prozedur verzichten, weswegen er sofort vom Thema ablenkte. »Und was geschieht jetzt weiter?«, fragte er die Kastellanin.
    »Wenn ich das wüsste. Ich wünschte, dass mein Mann hier wäre. Er wäre der Einzige, der Ruhe in die Menschenmenge bringen könnte«, sagte sie nachdenklich.
    Ignaz nickte zustimmend.
    »Hast du wirklich keine Flöhe?«
    Jetzt schüttelte der Wachmann energisch den Kopf und beeilte sich zu sagen, dass er wieder an seine Arbeit müsse. Hastig schloss er das Tor und eilte dienstbeflissen zur Wehrgangtreppe. »Puh! – Noch mal gut gegangen«, entfuhr es ihm.
    Konstanze, die schon auf dem Weg zum Vogteigebäude war, drehte sich um. »Was hast du gesagt?«
    »Nichts, Herrin! Nichts!«

    *

    Da niemand in der Lage war, dem unschönen Treiben Einhalt zu gebieten, nahm das Unheil unaufhaltsam seinen Lauf. Es war jetzt schon so weit, dass sich die gottesfürchtigen Frauen nicht einmal voreinander schämten, als sie die Marktstände abzuräumen begannen. Jede nahm sich, was sie in die Finger bekommen konnte. Das hatte es in Staufen noch nie gegeben: Eine offene Plünderung … und dies auch noch durch Frauen. Eigentlich friedliebende Menschen beschimpften und schlugen sich, spuckten sich an und waren bereit, sich gegenseitig die Augen auszukratzen. Bisher ehrliche Leute stahlen, was das Zeug hielt. Wohl dem auswärtigen Händler, der seinen Marktwagen rechtzeitig in Sicherheit rollen konnte. Wohl aber auch den Einheimischen, die vernünftig gewesen waren und den Ort des Geschehens bereits verlassen hatten.

    *

    Der Einzige, der das Treiben auf dem Marktplatz nicht mitbekam, war Heinrich Schwartz. Der heruntergekommene Arzt schlief seinen Rausch vom Vorabend aus. Erst als vom Unterflecken sehr laute und ungewohnte Geräusche bis zu ihm ins Zimmer drangen, wachte er mit entsetzlichen Kopfschmerzen auf. Er dachte sich nichts dabei und nahm, um seinen Brummschädel zu besänftigen, erst einmal eine Messerspitze Salz zu sich. Tausende von Hornissen schienen sich in seinem Schädel eingenistet zu haben. Dennoch: Hätte er gewusst, was die Ursache für den Lärm auf dem Marktplatz war, hätte er wohl mehr Interesse daran gezeigt.
    Ich muss meinen Behandlungsraum putzen und endlich sorgsam mit Heilpflanzen bestücken, damit Ruland keinen Grund mehr hat, mich anzumaulen. Jetzt muss die Sache anlaufen, grübelte er, während er seinen Kopf in eine Schüssel mit abgestandenem Wasser tauchte. Dass sich darauf ein Fettfilm abgesetzt hatte und darin ein paar Bröckchen herumschwammen, schien ihn nicht zu stören.

    *

    Otto Dobler, ein

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