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Die Pestspur

Die Pestspur

Titel: Die Pestspur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Wucherer
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dazu gehörenden Gürtel.«
    Die Kastellanin ärgerte sich. In diesen Gürtel würde sie zweimal hineinpassen. Sie wandte sich zum Gehen, bevor ihr der Lederer auch noch eine Lederweste zeigen konnte. Er wollte ihr noch sagen, dass er sich um den Schuh kümmern würde und wollte ihr unaufgefordert sogar einen ungefähren Preis nachrufen. Aber Konstanze hatte bereits ihren Sohn am Arm gepackt und trat – ohne das benötigte Mehl und das Seil für ihren Mann eingekauft zu haben – unverrichteter Dinge den Heimweg an.

    *

    Da er im allgemeinen Trubel zunächst niemanden sah, lief der Totengräber hastig durch die Budengassen. Erst als er vom Markt aus in Richtung Osten die Straße hinaufblickte, sah er auf Höhe des Sattlerhauses den Blaufärber mit seinem Sohn. Aber schon einen Augenaufschlag später waren die beiden zwischen dem gräflichen Kaufhaus und der ›Krone‹ verschwunden.
    »Aha, die gehen nach Hause«, vermutete Ruland Berging und folgte ihnen mit großen Schritten zwischen Kirchenportal und der Getreideschranne in Richtung ›Löwen‹, danach den Abhang hinunter zum Färberhaus. Dabei achtete er sorgsam darauf, keinen allzu hastigen Eindruck zu erwecken, falls er von irgendjemandem gesehen würde.
    Zu Hause angekommen führte der Weg des Blaufärbers zum linksseitigen Eingang, der von außen her direkt in einen Kellerraum führte. Dort wollte er die seit drei Tagen in nach Urin und Pottasche stinkenden Waid eingelegten Stoffe aus den großen Bottichen herausnehmen, um sie mit Hilfe seiner Frau im obersten Stock des steilgiebeligen Hauses zum Trocknen aufzuhängen. Dazu waren direkt unterhalb der nordseitigen Dachrinnen lange Stangen angebracht worden. Dies war der ideale Platz, um zu verhindern, dass sich die dunkelblaue Farbe während des Trocknens durch zu starke Sonneneinwirkung ungleichmäßig entwickelte. Wenn der Stoff nicht gleichmäßig oxidierte, würde er ihn billiger abgeben müssen.
    »Nun komm schon, Gunda! Wir haben nicht den ganzen Tag Zeit«, rief Hannß Opser ungeduldig die Hauswand hoch und erreichte damit, dass seine Frau den Kopf aus dem Küchenfenster streckte.
    »Kommst du?«
    »Ja!«
    Es dauerte eine Weile, bis sie die steilen Stufen heruntergestiegen und bei ihrem Mann war.
    »Na endlich«, knurrte der Blaufärber und zeigte zum Bottich. »Wir müssen die beiden Plachen auswringen und nach oben bringen.«
    »Oh je«, stöhnte die Blaufärberin, die wusste, was jetzt auf sie zukommen würde.
    Es war eine Heidenarbeit, die durch die Nässe schwer gewordenen und grausam stinkenden Stoffe aus dem Bottich zu hieven, auszuwringen und in den Trockenraum hochzuschleppen.
    Als sich Gunda Opser den Schweiß von der Stirn wischte und nach unten schaute, sah sie, dass sich ihr Sohn vor dem Haus langweilte. »Didrik. Spiel doch etwas!«, rief sie ihm zu und winkte mit einem gequälten Lächeln zu ihm hinunter.
    »Aber bleib beim Haus!«, ergänzte der Vater, während er begann, die schweren Stoffplachen über die Stangen zu wuchten.

    *

    Didriks großer Bruder Otward schien nicht da zu sein. Und allein wusste der Knabe nichts mit sich anzufangen. Missmutig schlenderte er am Haus entlang zur rechtsseitigen Rampe, die in die Tenne führte. Vielleicht würde er dort wenigstens seine Katze Munzi finden. Didrik rief immer wieder nach dem Tier, aber das zeigte sich nicht. Dabei entging ihm, dass er beobachtet wurde.
    Vorsichtig schlich sich der Totengräber im Schutze von Bäumen und Sträuchern näher an den Kleinen heran, um sich ein Bild des vermeintlichen Zeugen seines Gesprächs mit dem Medicus machen zu können. Eigentlich war es nicht geplant, den Knaben gleich zu beseitigen. Aber die Gelegenheit hierzu scheint unverhofft gut zu sein, überlegte er, während er seinem Opfer immer näher kam. Je länger der Totengräber Didrik beobachtete, umso sicherer wurde er, dass es sich um einen der beiden Knaben handelte, die ihn und den Medicus belauscht hatten. Also überlegte er, wie er es am besten anpacken könnte.
    Ich muss ihn vom Haus weglocken, beschloss er. Allerdings wusste er noch nicht, wie er das Interesse des Buben auf sich lenken sollte, ohne dass es dessen Eltern mitbekämen. Dass es noch heller Tag war, schmälerte das Risiko, erwischt zu werden, nicht gerade. Der Totengräber überlegte lange, ob er das Wagnis, Didrik jetzt gleich umzubringen, eingehen sollte. Eigentlich hatte er diese Drecksarbeit dem Medicus überlassen wollen. »Aber so eine Gelegenheit kommt nicht mehr«,

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