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Die Pestspur

Die Pestspur

Titel: Die Pestspur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Wucherer
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Konstanze ihre Freundin.
    »Unser Glaube lehrt uns Besonnenheit! Sollen die Leute denken, was sie möchten. Wir rüsten uns erst, wenn es tatsächlich so weit sein sollte«, gab Judith sachlich zurück.
    Kluge Leute, diese Juden, dachte Konstanze, während sie links zum ›Kühlen Grund‹ abbiegen wollte.
    Als Lodewig Sarahs Bitte von vorhin wiederholte, schauten sich die beiden Frauen achselzuckend an. Also bogen sie nicht links ab, sondern gelangten ein Stückchen weiter auf den teilweise zugewachsenen Trampelpfad, der zum Entenpfuhl führte.
    Diederich und Lea rannten voraus, während Sarah und Lodewig etwas zurückblieben. Der junge Mann nahm allen Mut zusammen, um die Gelegenheit beim Schopf zu packen und Sarahs Hand zu halten. Zu lange schon hatte er von diesem Mädchen geträumt, jetzt war es hier. Also konzentrierte er sich auf das, was er sich vorgenommen hatte und tastete zaghaft nach ihrer Hand, während er unauffällig vor sich hin pfeifend in eine andere Richtung schaute. Zu seiner freudigen Überraschung ließ sie ihn gewähren und zog ihre Hand nicht zurück. Im Gegenteil: Sie warf Lodewig sogar ein verschämtes Lächeln zu. Das Herz des verliebten jungen Mannes pochte, als würde in seinem Körper ein Schmiedehammer auf und ab sausen.

    *

    Als Diederich und Lea dem Entenpfuhl näher kamen, stoben plötzlich mehrere Dutzend lärmende Krähen in die Höhe.
    »Kinder, was macht ihr da? Passt auf, dass ihr nicht in den Tümpel fallt!«, rief Judith den beiden besorgt zu.
    Die Kinder liefen fröhlich lachend um das Gewässer herum. Sie schoben mit Stöcken den Uferbewuchs beiseite, um Frösche aufzuschrecken und warfen kleine Steine hinein. Die Mütter kamen jetzt ebenfalls am Teich an, gingen aber – nachdem sie die Kleinen nochmals ermahnt hatten, vorsichtig zu sein – ein Stückchen weiter. Konstanze wollte ihrer Freundin das imposante Herrschaftsgebäude des Schlosses aus einer besseren Perspektive zeigen.
    »Von hier unten sieht unser Hauptgebäude noch gewaltiger aus, als es sowieso schon ist.« Konstanze zeigte nach oben. »Siehst du, Judith? In diesen beiden Runderkern sind wir vorhin gewesen.«
    Jetzt zeigte Judith nach oben. »Und was hat es mit dem kleinen Erkerchen rechts zwischen dem Hauptgebäude und dem kleineren Anbau auf sich?«
    Konstanze schmunzelte. »Das ist das Heimliche Gemach!«
    »Was ist das?«
    »Na, was wohl? Der Abort! Früher war das Türmchen unten offen und …«
    »Schon gut«, wehrte Judith ab und hielt sich verschämt eine Hand vor den Mund. »Ich habe verstanden.«
    Während sich die beiden Frauen angeregt unterhielten, pflückte Lodewig etwas abseits ein paar Blümchen für Sarah. Da ihre Mütter ebenso beschäftigt waren wie die kleinen Geschwister, sah niemand, wie Sarah in ihrer Verliebtheit etwas absolut Unschickliches tat; sie drückte ihrem Verehrer ein zartes Dankeschön-Küsschen auf die Wange, was dem Verliebten die Röte in die Wangen schießen ließ.

    Der romantische Augenblick wurde jäh gestört, als Diederich mit weit aufgerissenen Augen auf das Wasser zeigte und stotternd zu schreien begann: »M… Mm… Mmm… Mama! Mama!«
    Lea sah man ebenfalls an, dass sie vor Angst wie gelähmt war. Sie stand am Wasserrand und hielt beide Hände vor den Mund. Das kleine Mädchen brauchte etwas Zeit, bevor es wieder zu sich selbst fand und heulend zu seiner Mutter rannte.
    Ahnend, dass die Kinder etwas Schlimmes gesehen hatten, beorderte auch Konstanze ihren wie versteinert dastehenden Jüngsten zu sich und rief: »Lodewig! Komm her … schnell!«
    »Und du, Sarah, kümmerst dich um die Kleinen!«, ordnete Judith an, ohne zu wissen, was eigentlich los war.
    Erst als sich die beiden Kinder einigermaßen beruhigt hatten und zusammen mit Sarah etliche Schritte vom Teich entfernt in der Wiese saßen, gingen die beiden Mütter mit Lodewig auf das Wasser zu. Da sich die Frauen fürchteten, hob Lodewig einen dicken Ast auf, der ihm zur Not als Waffe dienen sollte. Mutig ging er den Frauen voran. Nicht wissend, was sie am Teichufer erwarten würde, hielten sich Konstanze und Judith an den Händen. Die kurze Strecke erschien ihnen ewig lang. Ungewollt wurden ihre Schritte kürzer und langsamer. Drei Augenpaare flogen über den Entenpfuhl. Sie hörten nur das aufgeregte Kreischen der Krähen, die hochgestoben waren und den Entenpfuhl nicht aus den Augen ließen, während sie darüber kreisten. Da auf der rechten Tümpelseite ein kleines Rinnsal für etwas Bewegung und

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