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Die Peststadt

Die Peststadt

Titel: Die Peststadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Kneifel
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verschwunden ist«, Carbells Stimme senkte sich und wurde prophetisch, »wird Coerl O'Marn uns alle belohnen. Der Lohn wird einzigartig sein, denn wir haben den Caer das Land geöffnet.«
    Er wandte sich um und deutete auf das Gold und die Waffen. »Nehmt euren halben Lohn, steckt die Waffen ein und verlasst einer nach dem anderen das Haus. Morgen soll nur noch der schwachsinnige Bruder der Königin in Schloss Fordmore sein.«
    »Wenn es die Caer so wollen«, knurrte Diveliz, schob ein Krummschwert unter seinen Rock und schloss die Tür hinter sich.
    Der schwarzgekleidete Mann fiel in den Sessel zurück. Wieder sah er sein Gesicht im Spiegel des schweren, aromatischen Weines. Er atmete schwer und schwieg lange. Dann starrte er auf die Goldstücke, die zwischen den Falten des dunkelroten Stoffes lagen und in den Kerzenflammen schimmerten.
    In Carbell begann ein merkwürdiges Gefühl verschwommen Gestalt anzunehmen. Aerinnen und Feithearn waren für ihn wie aus dem Nichts aufgetaucht, und seit ihrem Gespräch hatte sich sein Leben verändert. Warum er, der Fürst-Richter, nicht wie jedermann auf den Zinnen und an den Toren kämpfte, wusste er selbst nicht. Auch nicht, warum er sich als Vertrauter des ermordeten Königs gegen die Herrscherin von Schloss Fordmore stellte, warum Männer in seinem Auftrag Brunnen vergifteten, Stadttore zu öffnen versuchten und auf andere Weise den Einmarsch der Caer nach Nyrngor herauszufordern trachteten.
    Dass ihn die Caer-Priester mit einem magischen Bann belegt haben konnten, dass er eine fast willenlose Marionette der Männer in den schwarzen Mänteln geworden war - darauf kam er nicht von sich aus.
    *
    Ein letztes Mal wandte er den Kopf und warf einen langen Blick hinüber nach Nyrngor. Hunderte von Fackeln, Lampen und kleinen Feuern säumten ein Drittel des Horizonts. Die wuchtigen Mauern, auf deren Kronen die Lichtpunkte der Fackeln hin und her wanderten, spiegelten sich im Wasser vor dem Hafen. Nur auf wenigen der dreiundsechzig Caer-Schiffe gab es Bewegungen und Lichter.
    Coerl O'Marn hob das Visier des Helmes hoch. Der Rand des Schildes schlug klirrend gegen einen Teil der schweren Rüstung. Unter den zerzausten Adlerfedern kam ein braunes, hartes Gesicht zum Vorschein, mit kalten Augen unter grauen, buschigen Brauen.
    »Bringt Chelm!« sagte er in die Finsternis zu seiner Rechten.
    Als Antwort ertönte hinter den Teilen einer Belagerungsmaschine das dumpfe Wiehern seines Pferdes.
    »In zwei oder drei Tagen wird Nyrngor gefallen sein«, sagte der gepanzerte Krieger. Er wusste, dass es so sein würde. Er war in ganz Tainnia gefürchtet, weil es stimmte, was man über ihn raunte. Der größte Kämpfer und Stratege, den es gab, seit die sagenhaften Alptraumritter durch die Lande gezogen waren, eine Spur der Verheerung hinter sich herziehend.
    Ein Caer mit einer Fackel in der Hand führte den stampfenden Chelm am Zügel vorbei. Der Caer blieb in achtungsvoller Entfernung vor O'Marn stehen.
    »Caers Blut!« sagte Coerl mit rauher Stimme. »Ich weiß, dass sie heute die Königin fangen werden. Aerinnen hat alles vorbereitet. Ich werde eine Abteilung zum Sturm auf ein Stadttor schicken.«
    Das Kettenhemd rasselte und klirrte, als sich Coerl in den Sattel schwang. Das Pferd machte ein paar tänzelnde Schritte in die Richtung des schmalen Geländestreifens, der zwischen der Hafenmauer und dem sanft geschwungenen Hafenbecken mit seinen wuchtigen Magazinen, Handelshäusern, Rampen und Fischerhütten lag. Der Hafen war voller Caer-Schiffe, sie ankerten auch außerhalb und rechts und links der steinernen Leuchttürme. Das Kriegslager der Caer und O'Marns Zelt lagen rechts davon, eine unübersehbar große Menge von Zelten, Stangen und Lagerfeuern. Coerl hob den Arm, der riesige schwarze Rundschild rutschte zur Schulter. Dann spornte der Fünfzigjährige das Pferd und ritt auf das Lager zu.
    Neben dem Feldzeichen an O'Marns Zelt wartete Feithearn. Der junge Caer-Priester hatte den Langbogen über der Schulter, glitt wie ein Dämon um das Zelt herum und griff Coerl in die Zügel.
    Chelm scheute, stieg hoch und wurde mit eiserner Hand wieder zu Boden gezwungen. Coerl knurrte: »Was soll das, Feithearn? Gibt es Neuigkeiten?«
    Die Stiefel unter den geschnürten Beinkleidern O'Marns traten auf Holz oder splitternde Knochen, als er sich aus dem Sattel gleiten ließ. Der Priester kam näher. Seine blauen Augen schienen im Licht des Lagerfeuers aufzuleuchten. Coerl zwirbelte seinen grauen

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