Die Pfade des Wanderers
gekommen is, Kumpel. Des'alb 'abe ich auch beschlossen, die Vielweiberei, das Fressen und das Saufen ein bißchen einzuschränken.«
»Dafür hast du dir gerade die richtige Zeit ausgesucht. Während unserer Reise wirst du kaum Gelegenheit haben, es damit zu übertreiben.«
»Genau, das is es ja gerade. Des'alb fühle ich mich auch nich wohl. Weil ich mich einschränken muß, bei den Weibern und beim Fressen...«
»... und beim Saufen«, beendete Jon-Tom kopfschüttelnd seinen Satz. »Und ich dachte schon, es sei etwas Ernstes.« Angewidert beschleunigte er das Tempo.
»Aber Kumpel!« warf Mudge ein und sah ehrlich verblüfft aus, als er versuchte, mit seinem hochgewachsenen Freund Schritt zu halten. »Was könnte denn wohl schlimmer sein?«
»Als was?« fauchte Jon-Tom ihn an.
»Als maß'alten zu müssen, natürlich!«
VI
Dormas hielt, was sie versprochen hatte: Sie konnte es nicht nur mit dem allgemeinen Tempo aufnehmen, als sie Ospenspri am folgenden Morgen hinter sich ließen, nein, sie wollte trotz ihrer schweren Last auch unbedingt die Führung übernehmen. Sie bat so oft darum, daß Clodsahamp sie an sein eigenes fortgeschrittenes Alter erinnern mußte und an die Tatsache, daß zwei Beine, so stark sie auch sein mochten, niemals mit vieren Schritt halten konnten.
Jon-Tom war davon überzeugt, daß sie zeigte, was sie konnte, um sich von Anfang an als qualifiziertes Mitglied der Expedition zu beweisen. Jedenfalls gab es nach dem ersten langen anstrengenden Marschtag keinerlei Kommentare mehr über ihr Alter oder ihre Ausdauer, weder von Mudge noch von irgendeinem anderen. Jon-Tom erinnerte sich an ihre Äußerungen, als sie sie vor dem Gasthof zu Ende beladen hatten.
»Ist das alles? Zum Teufel, ihr Jungens braucht doch wohl keine Hengstlin, um dieses bißchen Kram zu schleppen. Da hätten doch auch ein paar Packratten genügt.«
Trotz ihrer vorhergehenden Warnungen über das Reiten gestattete sie es Sorbl dennoch, sich gelegentlich auf dem obersten Ballen auszuruhen. Ausruhen, erklärte sie, war nicht dasselbe wie Reiten. Jon-Tom vergnügte sich damit zuzusehen, wie der Eulerich auf den Vorratsbergen hin- und herschaukelte, sich mit den krallenbewehrten Füßen an einem Schnürriemen festhielt und aussah, als sei er nichts anderes als eine federgeschmückte Mütze. Er pflegte eine Weile so zu reiten, bevor er sich wieder in die Wolken erhob, um das unter ihm liegende Gelände zu erkunden.
Dormas' Ausdauer hatte auch eine heilsame Wirkung auf Clodsahamps Begleiter. So blieb ihnen die übliche endlose Litanei von Klagen über die wunden Füße des Hexers, über seinen Rheumatismus und das gewaltige Gewicht seines Panzers erspart. Statt dessen bewahrte er Ruhe, bewegte schweigend das Maul und schwieg, auch als sie schwierige Stellen überquerten. Jon-Tom war froh über die eigenen langen Beine. Mudge besaß weder lange Beine, hexerhafte Entschlossenheit, Flügel oder ein Extrapaar Gehwerkzeuge. Diese Mängel machte er mit der typischen unermüdlichen Otterenergie wieder wett.
Nördlich von Ospenspri waren die Wälder größtenteils unbewohnt. Mit zunehmender Höhe ließen sie auch die Glockenbäume selbst zurück, gemeinsam mit den vertrauteren Eichen und Pappeln. Ihr Platz wurde durch Immergrün eingenommen. Jon-Tom glaubte, Fichten, Föhren und Blautannen zu erkennen. Es gab auch exotischere Gewächse, einschließlich eines mächtigen Strauchs, dessen drei Zoll lange Nadeln so scharf und spitz waren wie die Stacheln eines Igels. Mudge bestimmte die gefährlicheren Gewächse und führte seine Gefährten vorsichtig um sie herum. Dem gepanzerten Clodsahamp konnten sie zwar nichts antun, doch hätte ein einziger Fehltritt jeden der anderen auf der Stelle in grüne Nadelkissen verwandelt.
Während Sorbl über ihnen das Gelände erkundete und Clodsahamp unermüdlich den Waldboden studierte, stellte Jon- Tom fest, daß er sich tatsächlich entspannen und den Fußmarsch genießen konnte. Das Immergrün, das kahle Felsgestein, die Tannenzapfen, die den Boden übersäten, erinnerten ihn an Oregon oder Montana.
Als sie aus dem tiefergelegenen Wald auf das Plateau hinaus kamen, amüsierte er sich damit, Zweige und Tannenzapfen aus dem Weg zu treten. Gerade wollte er einen besonders großen Zapfen mit einem Tritt beiseite schleudern, als er plötzlich zu Boden gestoßen wurde. Er rollte herum, zornig und verwirrt.
»Was soll denn das jetzt schon wieder, Mudge?« Denn der Otter hatte ihn von hinten gestoßen.
Weitere Kostenlose Bücher