Die Pfade des Wanderers
Sandkörner, diese Bäume mikroskopische Flechten oder so etwas. Schon eine leichte Brise könnte uns wegpusten. War eine gute Idee, in einem geschützten Hain das Lager aufzuschlagen.«
»Wie kann denn etwas, das so klein ist, denken und reden?«
fragte Dormas ihn.
»Woher soll ich das wissen? Ich bin doch kein Experte in Sachen Auswirkungen von Störungen. Und wer sagt denn, daß sie immer logisch sein müssen?«
»Die Gefahr ist offensichtlich«, bemerkte Clodsahamp grimmig. »Wir können nicht passiv darauf warten, bis wir wieder zurückgekehrt sind. Wir müssen versuchen, etwas zu unternehmen. Denn meine Gebräue sind woanders, und ich habe nicht die leiseste Vorstellung, womit wir beginnen sollten.«
»Wie war's mit einem Banngesang, Jon-Tom?« fragte Sorbl ihn.
»Dafür brauche ich meine Duar, Sorbl. Das weißt du doch.«
»Kannst du es nicht mal ohne versuchen?«
Er seufzte, was seinen ganzen Körper durchspülte. »Das wäre bloß Zeit- und Energieverschwendung.«
»Vielleicht auch nicht.« Jon-Tom spürte, wie der Hexer seine Aufmerksamkeit auf ihn richtete. »Da du keine Duar hast, mit der du dich begleiten kannst, mußt du versuchen, eine herzustellen.«
Jon-Tom ließ einen stark vereinfachten Blick durch die geleeartige Umgebung schweifen. »Woraus denn? Es gibt kein Holz hier, nichts, woraus man Saiten herstellen könnte. Und selbst wenn ich eine primitive Art Duar zusammenstümpere, kann ich immer noch nicht darauf spielen.«
»Warum denn nicht?« fragte Sorbl.
»Weil er keine Finger nich 'at, Vogel'irn«, klärte Mudge ihn auf.
»Das braucht ihn nicht davon abzuhalten«, meinte Clodsahamp nachdenklich.
»Du könntest aber 'ne Duar 'erbeisingen, Kumpel, wenn du 'ne Duar 'ättest.«
»Was meinen Sie damit, daß es mich nicht davon abhalten muß?«
Zur Antwort verbog sich Clodsahamp, bis er eine raffinierte Acht bildete. »Unsere jetzigen Körper sind außerordentlich biegsam. Sie können durch Strecken.und Dehnen jede beliebige Gestalt annehmen.«
»Oh, ich verstehe. Sogar Finger.«
»Nein, mein Junge. Nicht nur Finger. Sogar eine Duar selbst.«
»Das ist unmöglich.«
»Dieses Wort ist die reinste Besessenheit bei dir. Versuch es.«
Jon-Tom zuckte die ›Achseln‹ , er spürte, wie ein Teil seiner selbst zu wabern begann. »Warum nicht, das ist immer noch besser, als hier herum zuhängen und darauf zu warten, daß wir weg geweht oder geschwemmt werden?«
Wie sollte man zu dem Instrument werden, auf dem man für gewöhnlich spielte? Er mühte sich ab, ein genaues Abbild davon vor seinem geistigen Auge entstehen zu lassen. Die Saiten so, der Resonanzkörper so, in den und den Abmessungen - schon das bloße Nachdenken darüber tat seinem Geist weh. Als das geistige Abbild zu seiner Zufriedenheit ausgefallen war, begann er sich zu biegen, zu verzerren, sich in die Länge zu ziehen.
Es war nicht nur schwierig, es war auch recht schmerzhaft. Doch er blieb dabei, faßte sein Gewebe an, polierte sein Äußeres, bis er sich zu seinem nicht unerheblichen Erstaunen in eine vertraute Gestalt verwandelt hatte, die aus glitzerndem gelatineartigen Material bestand.
Und jetzt ein Song, überlegte er. Etwas, das ihrer Situation angemessen war, das geeignet war, Form und Volumen zu verändern.
Ja, mit Paul Williams müßte es klappen. Er begann zu singen und auf sich selbst zu spielen.
Die Noten klangen nicht ganz richtig, die Stimme auch nicht, doch er blieb beharrlich. Unter diesen Umständen mußte es ja zu Verzerrungen kommen. Es erschien ihm immer noch wie reine Zeitvergeudung, bis sie plötzlich etwas Großes und Leuchtendes erblickten, das auf sie zukam. Es war eine gewaltige strahlende Gestalt, wie eine kleine Sonne, doch in dem Licht meinte er einen matten Umriß von etwas beinahe Vertrautem auszumachen.
Dormas wich davor zurück, Mudge und Sorbl versuchten zu fliehen. Während Jon-Tom weiterspielte, blieb bloß Clodsahamp auf seinem Posten. Denn er erkannte es sofort wieder. Sein Erscheinen war nicht nur ein Beweis dafür, daß Jon-Toms Bannsängerei funktionierte, sondern auch für die wahre Größe, auf die sie reduziert worden waren.
»Bleibt da!« befahl er den anderen. »Es ist völlig harmlos. Es ist nur ein Gnieschie.«
Ein einzelnes Gnieschie, eines jener unsehbaren Lichtfleckchen, die soviel mehr waren als dies. Sie fühlten sich zu aktiver Magie hingezogen, und dieses hier hatte sie aufgesucht, um das Echo von Jon-Toms Banngesang zu genießen.
Als er weiter auf sich
Weitere Kostenlose Bücher