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Die Pfeiler der Macht

Die Pfeiler der Macht

Titel: Die Pfeiler der Macht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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seinem »Sekretär« zusammen? War Augusta so skrupellos wie eh und je - oder war sie mit den Jahren sanftmütiger geworden? Hatte Edward sich endlich besonnen und sich gefangen? Und war Micky Miranda mittlerweile mit einem der vielen Mädchen verheiratet, die sich Jahr für Jahr in ihn verliebten?
    Es war an der Zeit, sich ihnen zu stellen. Hugh überquerte die Straße und klopfte an die Tür.
    Hastead, Augustas aalglatter Butler, öffnete ihm. Er hatte sich anscheinend überhaupt nicht verändert. Unverdrossen blickten seine Augen in zwei verschiedene Richtungen. »Guten Tag, Mr. Hugh«, sagte er, doch seine walisisch gefärbte Stimme klang frostig und deutete an, daß Hugh sich noch immer nicht der Gunst des Hauses erfreute. Die Art und Weise, wie Hastead einen begrüßte, war ein untrügliches Spiegelbild der Gefühle Augustas. Er durchschritt das Portal und betrat die Eingangshalle, wo ihn, gleich einem Empfangskomitee, die drei Gralshüterinnen des Hauses Pilaster erwarteten: Augusta nebst ihrer Schwägerin Madeleine und ihrer Tochter Clementine. Augusta, inzwischen siebenundvierzig Jahre alt, war eine ungebrochen glänzende Erscheinung. Das klassische Gesicht mit den dunklen Augenbrauen und dem stolzen Blick hatte sich nicht verändert, und wenn sie ein wenig fülliger geworden war, so konnte sie sich dank ihrer Größe die zusätzlichen Pfunde ohne weiteres leisten. Clementine war eine schlankere Ausgabe ihrer Mutter, doch fehlten ihr die Aura der Unbezwingbarkeit, die ihre Mutter umgab, und das gewisse Etwas, das eine Schönheit aus ihr gemacht hätte. Tante Madeleine war, Zoll um Zoll, eine echte Pilaster, von der großen Hakennase über die hagere, eckige Figur bis hinab zum mit teurer Spitze besetzten Saum ihres eisblauen Kleides.
    Hugh zwang sich zu einem Lächeln und gab jeder der Damen einen Begrüßungskuß.
    »Nun, Hugh«, sagte Augusta in fragendem Ton, »ich nehme an, daß du durch deine Erfahrungen in der Fremde dazugelernt hast und nun ein klügerer junger Mann bist als ehedem.« Niemand hier darf je vergessen, daß ich dieses Haus in Ungnade verlassen habe, dachte Hugh, dafür wird sie schon sorgen ... »Ich nehme an, liebe Tante, daß wir alle im Alter klüger werden«, erwiderte er und sah zu seiner Genugtuung, wie sich ihre Miene vor Ingrimm verdunkelte. »So, so«, gab sie frostig zurück.
    »Gestatte, Hugh«, sagte Clementine, »daß ich dir meinen Verlobten vorstelle, Sir Harry Tonks.«
    Hugh drückte dem Mann, der sich bisher dezent im Hintergrund gehalten hatte, die Hand. Für einen selbst erworbenen Titel war Harry noch zu jung; der »Sir« bedeutete demnach, daß er ein Baronet war, also eine Art Adliger zweiter Klasse. Hugh beneidete ihn nicht um seine Braut. Sie war nicht so schlimm wie ihre Mutter, hatte aber schon immer eine kleinliche Ader. »Wie war die Überfahrt?« fragte Harry.
    »Es ging sehr schnell. Ich bin mit einem der neuen Schraubendampfer gekommen. Es dauerte nur sieben Tage.«
    »Bei Gott! Das ist ja höchst beachtlich!«
    »Aus welchem Teil Englands stammen Sie, Sir Harry?« fragte Hugh aus reiner Neugier.
    »Ich besitze ein Gut in Dorsetshire. Die meisten meiner Pächter sind Hopfenbauern.«
    Landadel also, schloß Hugh. Wenn er auch nur ein Fünkchen Verstand hat, wird er seinen Grundbesitz verkaufen und das Geld beim Bankhaus Pilaster anlegen. Harry kam ihm zwar nicht besonders helle vor, war aber vielleicht formbar. Die Frauen der Familie neigten dazu, sich Ehemänner auszusuchen, die folgsam ausführten, was ihnen aufgetragen wurde. Harry wirkte auf Hugh wie eine jüngere Ausgabe von Madeleines Mann George. Mit zunehmendem Alter wurden diese Männer immer mürrischer und gereizter, doch zur offenen Rebellion kam es so gut wie nie.
    »Komm in den Salon!« gebot Augusta. »Alle Welt brennt darauf, dich zu sehen!«
    Er folgte ihr, blieb aber auf der Schwelle stehen. Das vertraute geräumige Zimmer mit den beiden großen Kaminen an den Schmalseiten und den in den langen Garten hinausführenden Flügeltüren hatte sich stark verändert. Von dem ehemals japanischen Inventar war nichts mehr zu sehen. Statt dessen hatte man den Salon in den üppigsten Farben und Mustern neu dekoriert. Bei genauerem Hinsehen entdeckte Hugh überall Blumen: Große gelbe Margeriten schmückten den Teppich, rote Rosen rankten sich auf der Tapete an einem Spalier empor, in den Vorhängen blühte der Mohn, und rosa Chrysanthemen zierten die Seide, die Stuhlbeine, Spiegelrahmen,

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