Die Pfeiler der Macht
»Warum nicht?« fragte er. »Das Kapital wird schließlich in London beschafft.«
»Und welchen Rang würdest du bekleiden?« Hugh wäre es lieber gewesen, er hätte diese Frage nicht so schnell beantworten müssen. Ihm war klar, daß William ihn mit Absicht in diese peinliche Situation gebracht hatte. Nun blieb ihm nichts anderes übrig, als in den sauren Apfel zu beißen. »Ich nehme an, die Herren Madler und Bell erwarten, ihre Verhandlungen mit einem Teilhaber des Bankhauses Pilaster führen zu können.«
»Für einen Teilhaber bist du noch zu jung«, sagte Joseph wie aus der Pistole geschossen.
»Ich bin sechsundzwanzig, Onkel«, erwiderte Hugh. »Du warst neunundzwanzig, als du zum Teilhaber ernannt wurdest.«
»Drei Jahre sind eine lange Zeit.«
»Und fünfzigtausend Pfund sind eine Menge Geld.« Hugh spürte, daß seine Replik vorlaut klingen mußte - er neigte zu dieser Schwäche -, und machte sofort einen Rückzieher. Wenn ich sie in die Enge treibe, lehnen sie meinen Vorschlag schon aus reiner Sturheit ab, dachte er und sagte: »Die Sache will natürlich sorgfältig abgewogen sein. Mir ist klar, daß ihr das erst einmal untereinander besprechen wollt. Vielleicht ist es besser, ich lasse euch eine Weile allein?« Samuel nickte ihm kaum merklich zu. Hugh erhob sich und ging zur Tür.
»Ganz unabhängig davon, zu welchem Ergebnis wir kommen, Hugh«, sagte Samuel, »dein erfrischender Vorschlag verrät unternehmerisches Engagement und verdient Anerkennung. Darüber sind wir uns wohl alle einig.«
Er blickte fragend in die Runde. Alle Teilhaber nickten zustimmend, und Onkel Joseph murmelte: »Fürwahr, fürwahr.« Soll ich mich nun freuen, weil sie den Plan nicht sofort abgelehnt haben - oder soll ich mich ärgern, weil sie ihm nicht sofort zustimmen? fragte sich Hugh. Seine Hochstimmung war plötzlich wie weggeblasen. Aber mehr konnte er im Moment nicht tun. »Danke«, sagte er und verließ den Raum.
Es war vier Uhr am Nachmittag, als Hugh Pilaster zum erstenmal wieder vor Augustas imposanter Villa in Kensington stand. Sechs Jahre im Londoner Ruß hatten die roten Ziegel nachdunkeln und die weißen Natursteine grau werden lassen, doch die Tierskulpturen auf dem Treppengiebel befanden sich ebenso noch an Ort und Stelle wie das aufgetakelte Schiff auf dem Dach. Und da heißt es, die Amerikaner würden ihren Reichtum zur Schau stellen, dachte Hugh bei ihrem Anblick.
Aus den Briefen seiner Mutter wußte er, daß Joseph und Augusta einen Teil ihres unentwegt wachsenden Reichtums in zwei andere Anwesen gesteckt hatten - in ein Schloß in Schottland und ein Landhaus in Buckinghamshire. Augusta hatte das Haus in Kensington veräußern und statt dessen eine Villa in Mayfair kaufen wollen, aber da hatte Joseph ein Machtwort gesprochen: Ihm gefiel es hier.
Obwohl das Haus zur Zeit seiner Abreise noch ziemlich neu gewesen war, barg es für Hugh eine Fülle von Erinnerungen. Hier hatte er Augustas Gehässigkeiten ertragen müssen, Florence Stalworthy umworben, Edwards Nase ramponiert und Maisie Robinson geliebt. Die Erinnerung an Maisie war die stärkste, und sie bezog sich weniger auf die ihm zugefügte Demütigung und die Ungnade, in die er gefallen war, als auf die alles verzehrende Leidenschaft. Er hatte seither nichts mehr von Maisie gehört oder gesehen, doch gab es in seinem Leben keinen einzigen Tag, an dem er nicht an sie dachte.
Für die Familie galt nach wie vor die von Augusta verbreitete Version des Skandals: Tobias Pilasters verdorbener Sohn hatte eine Hure ins Haus gebracht und sich, als er mit ihr erwischt wurde, bösartig an dem völlig unschuldigen Edward vergriffen. Hugh ließ diese Verleumdung inzwischen kalt. Sollen sie doch denken, was sie wollen, war seine Devise. Ich bin ein Pilaster und Bankier, und das müssen sie anerkennen. Und wenn ich Glück habe, bleibt ihnen schon bald gar nichts anderes mehr übrig, als mich zum Teilhaber zu ernennen ...
Es war erstaunlich, wie sehr sich die Familie in den vergangenen sechs Jahren verändert hatte. Hughs Mutter hatte ihren Sohn in ihren monatlichen Briefen auf dem laufenden gehalten. Seine Cousine Clementine war mittlerweile verlobt und würde in Kürze heiraten. Edward hingegen war, allen Bemühungen seiner Mutter zum Trotz, noch nicht unter der Haube. Der junge William und seine Frau Beatrice hatten ein Baby bekommen, ein kleines Mädchen. Über diskretere Dinge stand indessen n i chts in Mutters Briefen. Lebte Onkel Samuel immer noch mit
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