Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Pfeiler der Macht

Die Pfeiler der Macht

Titel: Die Pfeiler der Macht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
Vom Netzwerk:
noch immer Schwarz trug. Die zwölfjährige Dotty konnte sich kaum noch an ihren Bruder erinnern und verhielt sich zunächst ganz schüchtern, bis er sie auf den Schoß nahm und sie an ihre ebenso gutgemeinten wie erfolglosen Bemühungen, seine Hemden zusammenzulegen, erinnerte.
    Er bat seine Mutter, in ein größeres Haus umzuziehen; er könne es sich jetzt ohne weiteres leisten, für die Miete aufzukommen. Doch Mutter lehnte seinen Vorschlag ab und riet ihm, sein Geld zu sparen und Kapital aufzubauen. Er konnte sie allerdings dazu überreden, ein zusätzliches Hausmädchen einzustellen. Mrs. Builth, die ihr seit langem den Haushalt führte, war alt geworden und schaffte es nicht mehr allein.
    Tags darauf fuhr er mit der London-, Chatham- und Dover-Bahn in die Hauptstadt und traf am Holborn-Viadukt ein. Gleich neben dem Bahnhof hatten Investoren ein riesiges neues Hotel errichtet. Sie spekulierten darauf, daß Holborn sich zu einer vielbesuchten Zwischenstation britischer Geschäftsleute auf dem Weg nach Nizza oder St. Petersburg entwickeln würde. Hugh für sein Teil hätte kein Geld in dieses Projekt gesteckt. Er war überzeugt, daß der Bahnhof überwiegend von Angestellten genutzt würde, die aus den sich rapide ausbreitenden Vororten im Südosten Londons zur Arbeit in die City fuhren.
    Es war ein heller Frühlingsmorgen. Hugh ging zu Fuß zur Bank. Die Luft der britischen Hauptstadt war rauchgeschwängert und viel schlechter als in Boston oder New York. Vor dem Bankgebäude hielt er kurz inne und musterte die grandiose Fassade. Er hatte die Teilhaber wissen lassen, daß er einen Urlaub in der alten Heimat verbringen sowie seine Mutter und seine Schwester wiedersehen wolle. Aber das waren nicht die einzigen Gründe für seine Rückkehr.
    Hugh Pilaster wollte eine Bombe hochgehen lassen. In seinem Reisegepäck befand sich der fertige Plan für eine Fusion der nordamerikanischen Niederlassung des Bankhauses Pilaster mit dem New Yorker Bankhaus Madler & Bell. Das neue Unternehmen sollte den Namen Madler, Bell and Pilaster fuhren. Die Pilasters würden von einer solchen Verbindung, in der Hugh die Krönung seiner eigenen Aktivitäten in den Vereinigten Staaten sah, enorm profitieren. Für sich persönlich erhoffte er sich die Chance, nach London zurückkehren und vom weisungsgebundenen Außendienstmitarbeiter in den Rang eines Entscheidungsträgers aufsteigen zu können. Sein Leben im Exil sollte ein Ende haben.
    Nervös rückte er seine Krawatte gerade und betrat das Gebäude. Die Schalterhalle mit ihrem Marmorboden und dem pompösen Aufsichtspersonal, die ihn vor Jahren noch so beeindruckt hatte, kam ihm jetzt einfach nüchtern vor. Am Fuß der Treppe begegnete er Jonas Mulberry, seinem ehemaligen Vorgesetzten. Mulberry begrüßte ihn überrascht und voller Freude über das Wiedersehen.
    »Mr. Hugh!« sagte er und schüttelte ihm kräftig die Hand. »Bleiben Sie jetzt bei uns?«
    »Ich hoffe es. Wie geht es der verehrten Frau Gemahlin?«
    »Danke, sehr gut.«
    »Bitte grüßen Sie sie von mir. Was machen die drei Kleinen?«
    »Es sind jetzt fünf und alle, Gott sei Dank, wohlauf.« Hugh hatte noch eine Frage, von der er nicht wußte, ob der leitende Angestellte in der Lage wäre, sie zu beantworten: »Sagen Sie, Mulberry, waren Sie schon im Hause, als Mr. Joseph zum Teilhaber ernannt wurde?«
    »Ja, ich war damals gerade eingestellt worden. Das war im Juni vor fünfundzwanzig Jahren.«
    »Dann war Mr. Joseph damals also ...«
    »... neunundzwanzig.«
    »Danke.«
    Hugh ging hinauf und klopfte an die Tür des Direktionszimmers. Alle vier Teilhaber waren anwesend: Onkel Joseph saß am Schreibtisch des Seniorpartners. Er war sichtlich älter und kahler geworden und sah dem alten Seth immer ähnlicher. Major Hartshorn, Tante Madeleines Ehemann, saß am offenen Kamin und las die Times seine Nase war inzwischen so rot wie die Narbe auf seiner Stirn. Onkel Samuel brütete mit gerunzelter Stirn über einem Vertrag und war, wie üblich, untadelig gekleidet: Zum zweireihigen schwarzgrauen Cutaway trug er eine perlgraue Weste. Der jüngste Teilhaber war der einunddreißigjährige William. Er saß an seinem Schreibtisch und schrieb etwas in ein Notizbuch.
    Samuel war der erste, der Hugh begrüßte: »Mein lieber Junge!« sagte er und schüttelte ihm die Hand. »Wie gut du aussiehst!« Hugh begrüßte die Teilhaber reihum mit Handschlag, akzeptierte dankend ein Glas Sherry und ließ seinen Blick über die Porträts der

Weitere Kostenlose Bücher