Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Pfeiler der Macht

Die Pfeiler der Macht

Titel: Die Pfeiler der Macht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
Vom Netzwerk:
der Feldzug beginnen. Unter ihren Gästen befanden sich drei Personen, denen sie bei Josephs Erhebung in den Grafenstand eine entscheidende Rolle zugedacht hatte.
    Er wird wahrscheinlich den Titel eines Grafen von Whitehaven wählen, dachte sie. Whitehaven war die Hafenstadt, in der die Familie Pilaster vor vier Generationen ihre ersten Geschäfte getätigt hatte. Mit einem legendären Hasardspiel legte damals Amos Pilaster, Josephs Urgroßvater, den Grundstein für sein Vermögen: Er investierte sein gesamtes Vermögen in ein Sklavenschiff. Später verlegte er sich auf weniger riskante Geschäfte, nämlich den Export von Serge und bedrucktem Kattun aus den Baumwollspinnereien in Lancashire nach Amerika. In Erinnerung an den Geburtsort des Unternehmens trug Josephs und Augustas Londoner Domizil bereits den Namen »Whitehaven House«, und wenn Augustas Plan erfolgreich war, würde sie dereinst Gräfin von Whitehaven sein.
    In ihrer Phantasie malte sie sich a u s, wie sie an Josephs Seite einen großen Salon betrat ... Ein Butler kündete den »Grafen und die Gräfin von Whitehaven« an. Augusta lächelte bei dieser Vorstellung. Schon sah sie Joseph bei seiner Jungfernrede im Oberhaus: Es ging um höhere Finanzen, und die anderen Peers folgten seinen Ausführungen mit respektvoller Aufmerksamkeit. Die Ladenbesitzer begrüßten sie mit schallender Stimme als »Lady Whitehaven«, und die Leute drehten sich nach ihr um, weil sie wissen wollten, wer damit gemeint war ...
    Aber Augusta erstrebte dies alles, wie sie sich einredete, nicht nur um ihrer selbst, sondern mindestens ebensosehr um Edwards willen. Er würde eines Tages den Titel seines Vaters erben und sollte bis dahin dem Namenszug Edward Pilaster auf seiner Visitenkarte die Bezeichnung The Honourable - der Ehrenwerte - voranstellen dürfen.
    Augusta wußte genau, was sie zu tun hatte, und doch war ihr nicht ganz wohl in ihrer Haut. Der Erwerb eines Adelstitels war nicht dasselbe wie ein Teppichkauf- man konnte also nicht einfach zum Händler oder Hersteller gehen und sagen: »Ich möchte den und den, was kostet er?« Alles geschah gewissermaßen hintenherum, mit Andeutungen. Es galt, heute abend höllisch aufzupassen: Ein Fehltritt - und sie konnte ihre ausgeklügelten Pläne vergessen. Und wenn sie ihre Gewährsleute falsch eingeschätzt hatte, war alles umsonst.
    Ein Zimmermädchen klopfte an die Tür und sagte: »Mr. Hobbes ist eingetroffen, Madam.«
    Bald wirst du mich mit Mylady anreden, dachte Augusta. Sie legte Strangs Ring ab, stand von ihrem Stuhl vor der Frisierkommode auf und ging durch die Verbindungstür in Josephs Schlafzimmer. Ihr Mann saß im Abendanzug vor der Vitrine, in der er seine Sammlung juwelenbesetzter Schnupftabakdosen aufbewahrte, und betrachtete eine von ihnen im Licht der Gaslampe. Augusta überlegte, ob sie ihn auf Hugh ansprechen sollte. Hugh war nach wie vor ein Störfaktor. Vor sechs Jahren war sie überzeugt gewesen, das Problem ein für allemal gelöst zu haben, doch nun war Hugh wieder da und drohte erneut Edward in den Schatten zu stellen. Schon gab es Gerüchte, er solle zum Teilhaber ernannt werden. Augusta konnte das nicht hinnehmen. Sie war fest entschlossen, Edward eines Tages in der Position des Seniorpartners zu sehen, weshalb Hugh in dieser Hinsicht kein Vorsprung eingeräumt werden durfte.
    Ist das nicht einfach Schwarzseherei? fragte sie sich. Warum soll Hugh nicht ebensogut die Geschicke der Bank leiten können? Edward hat ja auch noch andere Möglichkeiten - er könnte zum Beispiel in die Politik gehen ... Aber die Bank ist nun einmal das Herz der Familie. Wer ausschert - wie Hughs Vater Tobias -, steht am Ende mit leeren Händen da. In der Bank wird das Geld verdient, in der Bank wird Macht ausgeübt. Die Pilasters können Monarchen stürzen, indem sie ihnen einfach den Kredit verweigern. Unter den Politikern gibt es nur ganz wenige, die dazu in der Lage wären ...
    Die Vorstellung, Hugh als Seniorpartner mit Botschaftern parlieren und mit dem Schatzkanzler Kaffee trinken zu sehen, und der Gedanke, ihn bei Familientreffen als Oberhaupt anerkennen zu müssen, das auf ihren Zweig der Familie herabschaute, waren Augusta unerträglich. Allerdings war sie sich auch durchaus der Tatsache bewußt, daß es sehr schwer werden würde, Hugh noch einmal zu verdrängen. Er war älter und klüger geworden, und seine Stellung in der Bank war gefestigt. Der mißratene Bengel hatte sechs Jahre lang hart und geduldig an der

Weitere Kostenlose Bücher