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Die Pfeiler der Macht

Die Pfeiler der Macht

Titel: Die Pfeiler der Macht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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Mitte, während Hugh und Liz hinter ihr gingen. Obwohl Maisie ihn nicht sehen konnte, spürte sie seine Gegenwart. Sie hörte ihn mit Liz plaudern. Sie bekam mit, wenn er sie zum Kichern brachte, und konnte sich das Zwinkern seiner blauen Augen vorstellen. Nach einem Spaziergang von etwa einer halben Meile erreichten sie das Haupttor. Sie wollten sich gerade umdrehen und durch den Obstgarten nach Hause schlendern, als Maisie eine vertraute, hochgewachsene Gestalt mit schwarzem Vollbart erblickte, die aus der Richtung des Dorfes auf sie zukam. Im ersten Moment dachte sie, es sei ihr Vater; dann erkannte sie ihren Bruder Danny. Danny war vor sechs Jahren in ihre gemeinsame Heimatstadt zurückgekehrt, nur um dort feststellen zu müssen, daß die Eltern nicht mehr in der alten Wohnung lebten. Nachdem er niemanden gefunden hatte, der ihm die neue Adresse hätte nennen können, war er enttäuscht weitergereist und hatte im schottischen Glasgow einen Arbeiterwohlfahrtsverein mit dem Namen Working Men's Welfare Association gegründet. Die Organisation bot den Arbeitern nicht nur eine Versicherung gegen Arbeitslosigkeit, sondern setzte sich auch aktiv für mehr Sicherheit am Arbeitsplatz, für das Recht auf Gewerkschaftszugehörigkeit und für die finanzielle Kontrolle der Konzerne ein. Der Name Dan Robinson - für einen »Danny« war er inzwischen zu bedeutend - wurde allmählich bekannt. Eines Tages fand Papa ihn in der Zeitung. Er suchte Danny in seinem Büro auf, und es kam zu einem ergreifenden freudigen Wiedersehen.
    Wie sich herausstellte, hatten Papa und Mama, kurz nachdem Maisie und Danny fortgelaufen waren, endlich andere Juden kennengelernt, die ihnen das Geld für einen Umzug nach Manchester vorstreckten. Papa fand eine neue Stellung, und seither waren sie nie wieder so tief gesunken. Mama hatte ihre Krankheit überlebt und erfreute sich inzwischen leidlicher Gesundheit. Als die Familie wieder zusammenfand, war Maisie bereits mit Solly verheiratet. Solly hätte Papa liebend gern ein Haus und eine lebenslange Rente verschafft, aber Papa wollte sich noch nicht zur Ruhe setzen. Vielmehr bat er Solly um einen Kredit zur Eröffnung eines Geschäfts. Mittlerweile verkauften Mama und Papa Kaviar und andere Delikatessen an die wohlhabenden Bürger von Manchester. Wenn Maisie sie besuchte, legte sie ihren Diamantschmuck ab, band sich eine Schürze um und stellte sich als Verkäuferin hinter die Ladentheke, wobei sie darauf vertraute, daß sich die Mitglieder des Marlborough Sets wohl kaum nach Manchester verirren und, falls doch, ihre Einkäufe mit Sicherheit nicht selbst erledigen würden.
    Dannys unerwartetes Erscheinen in Kingsbridge erschreckte Maisie. Sie fürchtete, den Eltern könne etwas zugestoßen sein. Sie lief auf ihn zu und rief: »Danny! Ist was passiert? Ist etwas mit Mama?«
    »Papa und Mama geht's blendend, und allen anderen auch«, erwiderte er mit seinem amerikanischen Akzent. »Gott sei Dank. Woher weißt du, daß ich hier bin?«
    »Du hast mir doch geschrieben.«
    »Ach ja.«
    Mit seinem gekräuselten Bart und den blitzenden Augen sah Danny aus wie ein türkischer Krieger. Gekleidet war er dagegen wie ein einfacher Büroangestellter: Er trug einen abgetragenen schwarzen Anzug und auf dem Kopf eine Melone. Er wirkte müde, und seine Stiefel waren dreckverkrustet. Anscheinend hatte er einen langen Fußmarsch hinter sich.
    Kingo sah ihn mißtrauisch von der Seite an. Solly indessen erwies sich der Situation gewachsen und reagierte mit der ihm eigenen Herzlichkeit. Er schüttelte Danny die Hand und sagte: »Wie geht's, Robinson? Hier ist mein Freund, der Herzog von Kingsbridge. - Kingo, darf ich dir meinen Schwager Dan Robinson vorstellen? Er ist Generalsekretär der Working Men's Welfare Association.
    Viele Menschen wären vor Ehrfurcht erstarrt, wenn man sie einem Herzog vorgestellt hätte. Nicht so Danny. »Wie geht's Ihnen, Herzog?« sagte er mit salopper Höflichkeit. Zögernd reichte ihm Kingo die Hand. Maisie glaubte zu ahnen, was in seinem Kopf vorging: Bis zu einem gewissen Grade, so mochte er denken, ist höfliches Verhalten gegenüber den Unterschichten ja ganz gut, nur darf man ihnen keinesfalls zu weit entgegenkommen ...
    »Und dies ist unser Freund Hugh Pilaster«, sagte Solly. Maisie fuhr zusammen. In ihrer Sorge um Mama und Papa hatte sie ganz vergessen, daß Hugh hinter ihr stand. Danny wußte Dinge über Hugh, die Maisie ihrem eigenen Ehemann nie anvertraut hatte. Er wußte, daß Hugh

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