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Die Pfeiler der Macht

Die Pfeiler der Macht

Titel: Die Pfeiler der Macht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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Gesicht und tropften vom Kinn auf ihre Brüste. »So laß uns doch wenigstens miteinander reden!« Wenn sie ihm jetzt öffnete, das wußte sie, wäre von Reden keine Rede mehr. Sie würden einander umarmen und besinnungslos vor Lust zu Boden stürzen.
    »So sag doch etwas! Bist du da? Ich weiß, daß du da bist.« Still stand sie da und weinte lautlos. »Bitte?« sagte er. »Bitte ...« Nach einer Weile ging er fort.
     
    Maisie schlief unruhig und wachte schon früh wieder auf. Mit dem Heraufdämmern des neuen Tages fühlte sie sich nicht mehr ganz so elend. Ehe von den anderen Gästen etwas zu hören war, stand sie auf und begab sich, wie jeden Tag, in den Kinderflügel. Vor dem Eßzimmer blieb sie unwillkürlich stehen. Sie war offensichtlich doch nicht die erste an diesem Morgen. Aus dem Zimmer drang eine Männerstimme. Sie hielt den Atem an und lauschte. Es war Hugh.
    »Und just in diesem Augenblick wachte der Riese auf«, sagte er. Ein Kind quietschte vor Aufregung und wohligem Gruseln. Maisie erkannte die Stimme ihres Sohnes. »So schnell ihn seine Füße tragen konnten, lief Jack die Bohnenstange hinunter«, fuhr Hugh fort, »aber der wilde Riese setzte ihm nach!«
    Kingos Tochter Ann bemerkte im überlegenen Tonfall einer wissenden Siebenjährigen: »Bertie versteckt sich hinter dem Stuhl, weil er Angst hat. Ich habe keine Angst.«
    Maisie hätte sich am liebsten wie Bertie irgendwo versteckt. Sie wollte in ihr Zimmer flüchten, ging auch ein paar Schritte zurück, nur um dann erneut stehenzubleiben. Ich kann Hugh ohnehin nicht den ganzen Tag aus dem Weg gehen, dachte sie, und vielleicht ist es noch am einfachsten, wenn wir uns hier bei den Kindern begegnen. Sie gab sich einen Ruck und betrat das Zimmer. Gebannt hingen die
     

drei Kinder an Hughs Lippen. Bertie bemerkte kaum, daß seine Mutter zur Tür hereinkam. Hugh sah kurz auf; sein Blick zeigte ihr, daß er gekränkt war. »Hör nicht auf!« sagte Maisie, setzte sich neben Bertie und nahm ihn in den Arm.
    Hugh wandte sich wieder den Kindern zu: »Und was, glaubt ihr, tat Jack als nächstes?«
    »Ich weiß es!« rief Anne. »Er holte eine Axt.«
    »Genau!«
    Bertie, in den Armen seiner Mutter, starrte mit großen Augen den Mann an, der sein Vater war. Wenn ich das ertrage, dachte Maisie, dann kann mich nichts mehr erschüttern. »Und als der Riese erst halb oben war, da fällte Jack die Bohnenstange. Der Riese tat einen tiefen Sturz, fiel auf die Erde ... und war tot. Und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben Jack und seine Mutter noch heute.«
    »Noch einmal!« sagte Bertie.
     
    In der Botschaft von Cordoba herrschte rege Betriebsamkeit. Der Unabhängigkeitstag des Landes stand bevor. Für den Nachmittag des kommenden Tages war ein großer Empfang für Parlamentsabgeordnete, Beamte des Außenministeriums, Diplomaten und Journalisten geplant. Micky Miranda hatte Sorgen, und daß er am Morgen wegen der Ermordung zweier britischer Touristen in den Anden von Cordoba auch noch eine frostige Note des Außenamts erhalten hatte, war nicht dazu angetan, seine Stimmung zu heben. Doch als ihm der Besuch Edward Pilasters gemeldet wurde, ließ er alles andere stehen und liegen. Was er mit Edward zu besprechen hatte, war weit wichtiger als der Empfang oder die Note: Micky Miranda brauchte eine halbe Million Pfund, und er hoffte, sie von Edward zu erhalten.
    Seit einem Jahr war er jetzt Gesandter seines Landes. Es war ein schweres Stück Arbeit gewesen, den Posten zu bekommen, und es hatte ihn all seine Findigkeit sowie, daheim in Cordoba, ein Vermögen an Bestechungsgeldern gekostet. Die Familie hatte das Geld vorgestreckt. Micky hatte seinem Vater zugesagt, es zurückzuzahlen. Inzwischen war es an der Zeit, das Versprechen einzulösen, und Micky wäre lieber gestorben, als daß er es gewagt hätte, seinen Vater zu enttäuschen.
    Er führte Edward in sein offizielles Büro, ein geräumiges, von einer riesigen Landesflagge beherrschtes Zimmer. Er ging zum großen Tisch, rollte eine Karte des Landes aus und beschwerte deren Ecken mit einem Zigarrenkistchen, einer Sherry-Karaffe, einem Glas und Edwards grauem Zylinder. Dann zögerte er. Noch nie in seinem Leben hatte er jemanden um eine halbe Million Pfund gebeten.
    »Hier, im Norden des Landes, liegt die Provinz Santamaria«, begann er.
    »Die Geographie von Cordoba ist mir bekannt«, sagte Edward mürrisch.
    »Ja, natürlich, das weiß ich doch«, sagte Micky, der ihn bei Laune halten wollte. Es stimmte ja

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