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Die Pfeiler der Macht

Die Pfeiler der Macht

Titel: Die Pfeiler der Macht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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eine Gaslaterne, doch hatte er sich einen Platz im Schatten ausgesucht, um nicht von einem Passanten erkannt zu werden. Er war voller Unruhe und Unzufriedenheit mit sich selbst, und er kam sich schmutzig vor. Gewalt gehörte zu Papas und Paulos Arsenal; er selbst mochte sie nicht und sah in ihr stets ein Eingeständnis des eigenen Versagens.
    Berwick Street war eine schmale, schmutzige Gasse mit zahlreichen billigen Kneipen und Pensionen. Hunde durchstöberten die Abfälle im Rinnstein, und im Licht der Gaslaterne tummelten sich ein paar kleine Kinder. Micky hatte seinen Posten schon bei Einbruch der Dunkelheit bezogen und bislang noch keinen einzigen Polizisten gesehen. Inzwischen war es fast Mitternacht. Ihm gegenüber, auf der anderen Straßenseite, befand sich das Hotel Russe. Es hatte schon bessere Zeiten gesehen und hob sich noch immer deutlich von seiner Umgebung ab. Über der Tür brannte eine Lampe, und im Inneren konnte Micky eine Lobby mit einem Empfangstisch erkennen, der jedoch im Augenblick nicht besetzt zu sein schien.
    Auf dem Bürgersteig gegenüber, links und rechts vom Eingang des Hotels, lungerten zwei weitere Männer herum. Alle drei warteten sie auf Antonio Silva.
    Vor Edward und Augusta hatte Micky den Besonnenen gespielt. In Wirklichkeit machte er sich entsetzliche Sorgen wegen des Artikels, den Tonio in der Times publizieren wollte. Was hatte er nicht alles getan, um die Pilasters zur Finanzierung der Santamaria-Bahn zu bewegen! Sogar dieses Luder Rachel hatte er wegen der verdammten Anleihen geheiratet. Seine gesamte Karriere hing vom Erfolg des Projekts ab. Wenn er die Erwartungen seiner Familie in dieser Angelegenheit nicht erfüllte, würde Papa toben -und nicht nur das: Er würde sich an seinem Sohn rächen. Papa war mächtig genug, um Mickys Entlassung aus dem Botschafteramt durchzusetzen. Ohne Geld und Stellung, das stand so gut wie fest, konnte Micky kaum in London bleiben. Der einzige Weg, der ihm dann noch offenstand, war die Rückkehr in die Heimat, wo ihn ein demütigender Empfang und der Sturz in Ungnade erwarteten. Dann wäre es mit dem schönen Leben in London, das er seit vielen Jahren genoß, ein für allemal vorbei. Rachel hatte ihn gefragt, wo er den Abend verbringen wolle, aber Micky hatte sie nur ausgelacht. »Versuche nie, mich auszuhorchen«, hatte er gesagt.
    Worauf sie ihm zu seiner Verblüffung die Antwort gab: »Dann werde ich heute abend ebenfalls ausgehen.«
    »Wohin?«
    »Versuche nie, mich auszuhorchen!«
    Worauf Micky sie in ihrem Schlafzimmer eingesperrt hatte. Er wußte, daß Rachel ihn bei seiner Rückkehr wie eine Furie empfangen würde, aber das störte ihn nicht sonderlich. Es wäre nicht das erste Mal. Bei früheren Gelegenheiten hatte er die Wütende gepackt, sie aufs Bett geworfen und ihr die Kleider vom Leib gerissen, und jedesmal hatte sie sich ihm nur allzu bereitwillig unterworfen. Das wird heute nicht anders sein, dachte er und machte sich weiter keine Gedanken darüber.
    Was Tonio betraf, so war er sich seiner Sache weit weniger sicher. Er konnte nicht einmal mit Bestimmtheit sagen, daß der Mann
    nach wie vor in diesem Hotel wohnte. Einfach hineinzugehen und sich an der Rezeption nach ihm zu erkundigen war unmöglich, wenn man sich nicht verdächtig machen wollte. Obwohl er sofort reagiert und alles getan hatte, was in seiner Macht stand, waren doch achtundvierzig Stunden verstrichen, bis es ihm gelungen war, zwei hartgesottene Schlägertypen aufzutreiben und anzuwerben, die Lage vor Ort zu erkunden und den Hinterhalt zu organisieren. In der Zwischenzeit mochte Tonio das Quartier gewechselt haben, und wenn das zutraf- dann gute Nacht.
    Einerseits: Ein vorsichtiger Mann würde selbstverständlich alle paar Tage das Hotel wechseln. Andererseits: Nur ein unvorsichtiger Mann benutzte Briefpapier mit aufgedruckter Adresse. Tonio ist nie besonders vorsichtig gewesen, dachte Micky, ganz im Gegenteil. Höchstwahrscheinlich wohnt er immer noch in diesem Hotel.
    Er sollte recht behalten mit seiner Vermutung, denn einige Minuten nach Mitternacht tauchte Tonio endlich auf. Micky glaubte, die Gestalt, die, aus Richtung Leicester Square kommend, in die Berwick Street einbog, schon am Gang zu erkennen, widerstand jedoch der Versuchung, sofort zuzuschlagen. Er wartete ab, bis das Gesicht des Mannes im Lichtkegel einer Gaslaterne vorübergehend deutlich zu erkennen war. Ja, es handelte sich zweifellos um Tonio. Micky konnte sogar die karottenrote Farbe der

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