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Die Pfeiler der Macht

Die Pfeiler der Macht

Titel: Die Pfeiler der Macht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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später entdeckte er Zimmer elf, schloß auf und schlüpfte hinein.
    Es war ein mit Möbeln vollgestopftes, enges und verdrecktes Zimmer. Die Einrichtung hatte schon bessere Zeiten gesehen, wirkte inzwischen aber nur noch schäbig und heruntergekommen. Micky legte Hut und Stock auf einem Stuhl ab und fing an, das Zimmer rasch und methodisch zu durchsuchen. Im Schreibtisch fand er eine Abschrift des Artikels für die Times und nahm sie an sich. Viel wert war sie allerdings nicht. Er mußte davon ausgehen, daß Tonio noch andere Abschriften besaß - und selbst wenn es die einzige war, durfte es ihm kaum Schwierigkeiten bereiten, den Artikel aus dem Gedächtnis noch einmal zu schreiben. Um jedoch eine Veröffentlichung durchzusetzen, bedurfte es konkreter Beweisstücke, und hinter diesen Beweisen war Micky her. In einer Schubladenkommode fand er einen Roman mit dem Titel Die Herzogin von Sodom. Er überlegte kurz, ob er ihn einstecken sollte, nahm dann jedoch davon Abstand, um kein überflüssiges Risiko einzugehen. Er kippte den Inhalt der Schubladen auf den Boden; Tonios Hemden und Unterwäsche fielen heraus, doch nichts war darunter versteckt.
    Im Grunde hatte Micky an einer so einfachen Stelle auch nichts erwartet.
    Er suchte hinter und unter der Kommode, unter dem Bett und im Schrank. Dann kletterte er auf den Tisch, um nachzusehen, ob sich das Gesuchte vielleicht auf dem Schrank befand, doch außer einer dicken Staubschicht war auch dort nichts zu finden. Er zog den Bettbezug von der Matratze, untersuchte diese und klopfte die Kissen ab. Unter der Matratze fand er schließlich, was er suchte.
    In einem großen Umschlag steckte ein mit Urkundenschnur verschlossenes Dokumentenpäckchen.
    Micky wollte die Unterlagen schon näher inspizieren, da erklangen draußen auf dem Flur Schritte.
    Er ließ das Päckchen fallen und versteckte sich hinter der Tür. Die Schritte gingen vorbei und verhallten.
    Micky schnürte das Dokumentenbündel auf. Die Unterlagen waren in spanischer Sprache verfaßt und trugen den Stempel eines Anwaltsbüros in Palma. Es handelte sich um beeidete Zeugenaussagen, aus denen hervorging, daß in den Salpetergruben der Mirandas Auspeitschungen und Hinrichtungen stattgefunden hatten.
    Micky hob die Unterlagen an die Lippen und küßte sie: Seine Gebete waren erhört worden.
    Er stopfte sich die Papiere unter die Weste. Bevor er sie vernichten konnte, mußte er noch Namen und Adressen der Zeugen notieren. Zwar würden die Anwälte über Abschriften der Aussagen verfügen, doch die waren belanglos ohne die Zeugen selbst - und deren Tage waren nun, da Micky ihre Identität kannte, gezählt. Er würde die Anschriftenliste an Papa schicken, und der würde die Verräter zum Schweigen bringen.
    Gab es sonst noch etwas zu beachten? Er sah sich im Zimmer um, das sich nun in heilloser Unordnung befand. Er hatte alles, was er brauchte. Ohne Beweise war Tonios Artikel wertlos. Er verließ das Hotelzimmer und ging die Treppe hinunter. Überraschenderweise war die Rezeption diesmal besetzt. Der Angestellte erhob sich und sagte in herausforderndem Ton: »Was machen Sie hier, Sir?«
    Micky traf seinen Entschluß spontan. Wenn ich den Kerl ignoriere, hält er mich wahrscheinlich nur für unhöflich, dachte er. Bleibe ich aber stehen und erzähle ihm irgendwas, so kann er sich mein Gesicht einprägen ...
    Ohne ein Wort zu sagen, verließ er das Hotel. Der Mann an der Rezeption folgte ihm nicht.
    Als er an dem schmalen Durchgang vorbeikam, in dem der Überfall auf Tonio stattgefunden hatte, hörte er eine schwache Stimme um Hilfe wimmern. Eine Blutspur hinter sich herziehend, kroch Tonio auf die Straße zu. Micky wurde bei seinem Anblick schlecht, und um ein Haar hätte er sich erbrochen. Er zog eine angewiderte Grimasse, wandte den Blick ab und entfernte sich.
    Es war Brauch, daß betuchte Damen aus der besseren Gesellschaft und Herren, die den Müßiggang pflegten, nachmittags einander Höflichkeitsbesuche abstatteten. Maisie ödete diese Sitte an, weshalb sie sich an vier Tagen in der Woche von ihren Hausangestellten verleugnen ließ. Lediglich am Freitag war sie zu sprechen, und da konnte es dann durchaus vorkommen, daß sich zwanzig oder gar dreißig Personen zur Audienz bei ihr einfanden. Es handelte sich fast immer um dieselben Leute: den Marlborough Set, den jüdischen Freundeskreis, Frauen mit »fortschrittlichen« Ideen wie Rachel Bodwin sowie die Ehefrauen wichtiger Geschäftspartner Sollys.
    Emily Pilaster

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