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Die Pfeiler der Macht

Die Pfeiler der Macht

Titel: Die Pfeiler der Macht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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Koteletten erkennen.
    Er empfand eine gewisse Erleichterung, aber auch gesteigerte Unruhe. Die Erleichterung rührte daher, daß Tonio endlich aufgekreuzt war; die Unruhe erwuchs aus dem Gedanken an den ebenso brutalen wie gefährlichen Anschlag, der nun unmittelbar bevorstand. Dann entdeckte er die Polizisten.
    Soviel Pech war einfach unglaublich. Die Ordnungshüter, beide mit Helm und Pelerine, hatten die Berwick Street vom anderen Ende her betreten, kamen Tonio also entgegen. Sie trugen jeder einen Schlagstock am Gürtel und leuchteten mit ihren Blendlaternen in alle dunklen Winkel. Micky stand wie vom Schlag gerührt. Da war einfach nichts zu machen. Die beiden Polizisten sahen ihn, sahen seinen Zylinder und die Zigarre und nickten ihm ehrerbietig zu: Was einen Herrn aus der Oberschicht bewegte, sich mitten in der Nacht in einer Toreinfahrt herumzudrücken, ging sie nichts an - sie jagten Ganoven, keine Gentlemen. Ungefähr fünfzehn Meter vor dem Hoteleingang gingen sie an Tonio vorüber. Micky konnte vor Ärger und Enttäuschung kaum noch an sich halten. Nur noch wenige Augenblicke, und Tonio war in seinem Hotel verschwunden und in Sicherheit.
    Da bogen die beiden Polizisten um die Ecke und waren nicht mehr zu sehen.
    Micky gab seinen Komplizen einen Wink. Sie traten sofort in Aktion.
    Kurz bevor Tonio den Hoteleingang erreichte, packten sie ihn und schleppten ihn in den dunklen Durchgang neben dem Gebäude. Tonio konnte nur einen kurzen Schrei ausstoßen, jeder weitere wurde erstickt.
    Micky warf seinen Zigarrenstummel fort, überquerte die Straße und trat in den Durchgang. Die Männer hatten Tonio mit einem Schal geknebelt und hieben mit Eisenrohren auf ihn ein. Sein Hut lag am Boden; Kopf und Gesicht waren bereits blutüberströmt. Zwar war sein Körper durch den Mantel, den er trug, notdürftig geschützt, doch zielten die Schläger hauptsächlich auf seine Knie, die Schienbeine und die ungeschützten Hände. Micky wurde bei dem Anblick übel.
    »Hört auf, ihr Idioten!« zischte er sie an. »Seht ihr denn nicht, daß er genug hat?« Er wollte nicht, daß sie Tonio umbrachten. So, wie die Dinge standen, ließ sich der Vorfall noch als mehr oder weniger alltäglicher, wenn auch besonders brutaler Raubüberfall verkaufen. Ein Mord würde sehr viel mehr Aufsehen erregen - und die Polizisten hatten immerhin einen Augenblick lang Mickys Gesicht gesehen. Mit sichtlichem Widerwillen ließen die Schläger von ihrem blutigen Geschäft ab. Tonio sackte zu Boden und rührte sich nicht mehr.
    »Räumt ihm die Taschen aus!« raunte Micky den Kerlen zu. Sie nahmen ihm Kette und Uhr, ein kleines Buch, ein paar Münzen, ein seidenes Taschentuch und einen Schlüssel ab.
    »Her mit dem Schlüssel!« forderte Micky. »Der Rest ist für euch.«
    »Her mit dem Geld!« erwiderte der ältere der beiden Schläger, ein Mann mit dem Namen Barker, dessen Bedeutung - Beller - ihm den Spitznamen »Dog« - Hund - eingebracht hatte.. Micky gab beiden je zehn Pfund in Goldsovereigns. Dog händigte ihm den Schlüssel aus. An einer dünnen Schnur hing daran ein Stückchen Karton, auf d e m in ungelenker Schrift die Zahl elf geschrieben stand. Das war alles, was Micky brauchte. Micky drehte sich um. Er wollte schon aus dem Schatten des Durchgangs wieder auf die Straße treten, als er bemerkte, daß sie beobachtet wurden. Auf der Straße stand ein Mann und glotzte sie an. Micky schlug das Herz bis zum Hals. Sekunden später erblickte auch Dog den Mann. Er fluchte und hob seine Eisenstange, als wollte er den Mann auf der Stelle niederschlagen. Doch Micky wußte inzwischen Bescheid und fiel ihm in den Arm.
    »Laß das«, sagte er. »Es erübrigt sich. Sieh ihn dir doch an.«
    Der Beobachter hatte einen schiefen Mund und blickte stier vor sich hin. Es war ein Schwachsinniger.
    Dog ließ den Arm mit der Waffe sinken. »Der tut uns nichts«, sagte er. »Der hat ja nicht alle Tassen im Schrank.« Micky drängte sich an ihm vorbei auf die Straße. Als er zurücksah, bekam er noch mit, daß Dog und sein Kumpel Tonio die Stiefel auszogen.
    Hoffentlich sehe ich diese Kerle nie wieder, dachte er, als er sich mit schnellen Schritten vom Tatort entfernte. Er betrat das Hotel Russe. Zu seiner Erleichterung war die Rezeption in der kleinen Lobby noch immer nicht besetzt. Er ging die Treppe hinauf.
    Das Hotel bestand aus drei ehemaligen Häusern, die man zu einem einzigen umgebaut hatte. Micky brauchte eine Weile, ehe er sich zurechtfand, doch schon Minuten

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