Die Pfeiler der Macht
Morgenröcke oder Hausmäntel. Da April Maisie nicht sofort erkannte, starrten sich die beiden zunächst ein paar Sekunden lang wortlos an. Maisie fand, daß sich ihre alte Freundin kaum verändert hatte: noch immer die gleiche magere Figur, die harten Gesichtszüge, der scharfe Blick. Es mochte sein, daß sie ein wenig verbrauchter aussah, ein wenig müder als früher, abgezehrt durch viele lange Nächte und zuviel billigen Sekt, doch da war auch die selbstbewußte Haltung der erfolgreichen Geschäftsfrau. »Was können wir für Sie tun?« fragte sie. »Erkennst du mich nicht mehr, April?« fragte Maisie. Im selben Augenblick stieß April einen schrillen Freudenschrei aus, sprang auf und schloß sie in die Arme. Nachdem sie sich ausgiebig umarmt und geküßt hatten, wandte sich April an die anderen Frauen in der Küche und sagte: »Mädchen, das ist die Frau, die das geschafft hat, wovon wir alle immer nur träumen: die geborene Miriam Rabinowicz, die Maisie Robinson späterer Tage, die gegenwärtige Mrs. Solomon Greenbourne!«
Die Frauen applaudierten Maisie wie einer Heldin. Maisie fühlte sich beschämt: Sie hatte nicht ahnen können, daß April so offen über ihre Vergangenheit plauderte - noch dazu in Anwesenheit von Emily Pilaster. Aber es lohnte sich nicht, über vergossene Milch zu streiten.
»Das müssen wir mit einem Gläschen Gin feiern!« sagte April. Sie setzten sich. Eine der Frauen hatte plötzlich eine Flasche in der Hand, stellte Gläser auf den Tisch und schenkte ein. Maisie hatte sich nie etwas aus Gin gemacht. Längst an den besten Champagner gewöhnt, mochte sie ihn inzwischen weniger denn je, aber sie wollte keine Spielverderberin sein und leerte deshalb ihr Glas in einem Zug. Emily nippte und verzog das Gesicht zu einer Grimasse. Beiden wurde sofort nachgeschenkt. »Was bringt euch zu mir?« fragte April.
»Ein Eheproblem«, antwortete Maisie. »Der Mann meiner Freundin ist impotent.«
»Bringen Sie ihn her, meine Gute«, sagte April, an Emily gewandt,
»den kriegen wir schon wieder hin.«
»Er ist bereits Stammkunde, fürchte ich«, warf Maisie ein. »Wie heißt er?«
»Edward Pilaster.«
»Mein Gott!« entfuhr es April. Bestürzt sah sie Emily an. »Dann sind Sie also Emily. Armes Ding.«
»Sie kennen meinen Namen ...« sagte Emily, wie vom Schlag gerührt. »Er erzählt Ihnen also von mir.« Sie trank einen Schluck Gin.
»Edward ist doch gar nicht impotent«, bemerkte eine der anderen
Frauen. Emily errötete.
»Tut mir leid. Aber er fragt normalerweise nach mir, wenn er hier ist.« Die Sprecherin war eine hochgewachsene, vollbusige Frau mit dunklen Haaren. Besonders eindrucksvoll sieht sie in ihrem schäbigen Morgenrock nicht gerade aus, dachte Maisie, zumal sie auch noch Zigaretten qualmt wie ein Mann. Aber wenn sie sich ein bißchen herausputzt und was Nettes anzieht, ist sie vielleicht attraktiver ...
Emily hatte sich wieder gefaßt. »Merkwürdig«, sagte sie. »Ich bin mit ihm verheiratet, aber Sie wissen über ihn besser Bescheid als ich. Und ich weiß nicht einmal, wie Sie heißen.«
»Lily.«
Einen Augenblick lang herrschte peinliches Schweigen. Maisie nippte an ihrem Glas: Der zweite Gin schmeckte besser als der erste. Eine bizarre Situation, dachte sie: die Küche, die Frauen im Neglige, die Zigaretten, der Gin - und dazu Emily, die vor einer Stunde noch nicht einmal genau wußte, was Geschlechtsverkehr ist. Und jetzt spricht sie mit der Lieblingshure ihres Ehemanns über dessen Impotenz ...
»Ihr wollt also wissen, warum Edward bei seiner Frau impotent ist, nicht wahr?« fragte April unverblümt. »Ich sag's euch: weil Micky nicht dabei ist. Wenn er mit einer Frau allein ist, kriegt er keinen hoch.«
»Micky?« Fragte Emily ungläubig. »Micky Miranda? Der Botschafter von Cordoba?«
April nickte. »Sie machen alles gemeinsam, vor allem hier. Ein- oder zweimal kam Edward ohne ihn, aber da hat es nicht geklappt.«
Emily war vollkommen durcheinander und überließ es Maisie, die Frage zu stellen, die jetzt auf der Hand lag. »Was genau tun die beiden denn?«
Es war Lily, die die Frage beantwortete: »Nichts Besonderes, eigentlich. Im Lauf der Jahre haben wir ein paar Varianten durchprobiert. Momentan ziehen sie es vor, gemeinsam mit einem Mädchen ins Bett zu gehen, entweder mit mir oder mit Muriel.«
»Aber Edward ist dann richtig bei der Sache, oder?« hakte Maisie nach. »Ich meine, sein Johnny wird steif und so?« Lily nickte. »Ja, zweifellos.«
»Glaubt
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