Die Pfeiler der Macht
Augusta, daß die Version, nach der Edward versucht haben soll, Peter zu retten, erlogen war.«
»Woher konnte sie das wissen?«
»Meine Mutter sagte es ihr, und Mutter hatte es von mir. Das beweist, daß Augusta aktiv an der Vertuschung des wahren Sachverhalts beteiligt war. Ich kann mir durchaus vorstellen, daß Augusta um ihres geliebten Sohnes willen das Blaue vom Himmel herunter lügt - aber nicht für Micky, zumal sie ihn in jenen Tagen ja noch gar nicht kannte.«
»Was ist also deiner Meinung nach geschehen?« Hugh runzelte die Stirn. »Stellen wir es uns mal so vor: Edward gibt die Suche nach dir auf und kehrt zum Badesee zurück. Micky zieht gerade Peters Leiche aus dem Wasser. Als Edward dazukommt, sagt er: ›Du hast ihn umgebracht, du Idiot!‹ Edward hat ja nicht gesehen, wie Micky Peter untergetaucht hat, vergiß das nicht! ›Was soll ich tun?‹ fragt Edward. ›Keine Sorge‹, beruhigt ihn Micky. ›Wir sagen, es war ein Unfall. Ich werde sogar behaupten, daß du reingesprungen bist, um ihn zu retten.‹ Auf diese Weise vertuscht Micky sein eigenes Verbrechen und sorgt gleichzeitig dafür, daß Edward und Augusta ihm ewig dankbar sein müssen. Das klingt doch plausibel, oder?« Tonio nickte. »Mein Gott, ich glaube, du hast recht.«
»Wir müssen zur Polizei gehen«, sagte Hugh wütend. »Warum?«
»Du warst Augenzeuge eines Mordes. Daß die Tat inzwischen dreizehn Jahre zurückliegt, spielt keine Rolle. Micky muß zur Rechenschaft gezogen werden.«
»Du vergißt, daß Micky diplomatische Immunität genießt.« Daran hatte Hugh nicht gedacht. Als Botschafter von Cordoba konnte Micky in England nicht vor Gericht gestellt werden. »Er könnte zumindest zur unerwünschten Person erklärt und nach Hause geschickt werden.«
Tonio schüttelte den Kopf. »Ich bin der einzige Zeuge. Micky und Edward werden eine andere Geschichte erzählen. Außerdem ist allgemein bekannt, daß unsere Familien daheim in Cordoba eingeschworene Feinde sind. Selbst wenn die Tat erst gestern geschehen wäre, kämen wir in Beweisnot.« Tonio machte eine Pause. »Aber vielleicht möchtest du Edward sagen, daß er kein Mörder ist.«
»Er würde mir wahrscheinlich gar nicht glauben und mir vorwerfen, ich wolle ihn und Micky auseinanderbringen. Aber es gibt jemand anderen, dem ich die Wahrheit nicht vorenthalten kann.«
»Wer ist das?«
»David Middleton.«
»Und warum?«
»Ich glaube, er hat ein Recht darauf, zu erfahren, wie sein Bruder ums Leben kam. Auf dem Ball der Herzogin von Tenbigh hat er mich darüber befragt - auf ziemlich rüde Weise, offen gestanden. Ich erwiderte, wenn ich die Wahrheit erführe, würde ich ihm Bescheid sagen, und gab ihm mein Ehrenwort darauf. Ich werde ihn heute noch aufsuchen und ihm reinen Wein einschenken.«
»Glaubst du nicht, daß er gleich zur Polizei laufen wird?«
»Er wird wohl einsehen, daß es keinen Sinn hat, so wie wir beide es ja auch eingesehen haben.« Hugh fühlte sich plötzlich bedrückt durch den schäbigen Krankensaal und das schauerliche Gespräch über einen weit zurückliegenden Mord. »Aber jetzt muß ich zur Arbeit«, sagte er und erhob sich. »Ich soll Teilhaber in der Bank werden.«
»Herzlichen Glückwunsch! Das hast du dir sicher verdient.« Tonio wirkte auf einmal hoffnungsfroh. »Meinst du, es gelingt dir, den Bau der Santamaria-Bahn zu verhindern?«
Hugh schüttelte den Kopf. »Tut mir leid, Tonio. Sosehr mir dieses Projekt auch mißfällt - ich kann nichts mehr dagegen tun. Edward hat mit der Greenbourne Bank eine gemeinsame Auflage der Anleihen vereinbart. Die Teilhaber beider Banken haben die Ausgabe gutgeheißen. Inzwischen werden die Verträge ausgearbeitet. Ich fürchte, wir haben die Schlacht verloren.«
»Verdammt!« Tonio war bitter enttäuscht.
»Deine Familie wird sich in ihrem Kampf gegen die Mirandas etwas anderes einfallen lassen müssen.«
»Ich fürchte, die sind nicht mehr aufzuhalten.«
»Es tut mir leid«, wiederholte Hugh. Im gleichen Augenblick durchzuckte ihn ein Gedanke, der ihm bislang noch gar nicht gekommen war. Nachdenklich zog er die Brauen zusammen.
»Ein Rätsel hast du heute für mich gelöst, Tonio. Es war mir immer unbegreiflich, wie Peter, der doch ein so guter Schwimmer war, so mir nichts, dir nichts ertrinken konnte. Aber deine Antwort birgt in sich ein zweites, noch größeres Geheimnis.«
»Ich weiß nicht, ob ich dir da folgen kann ...«
»Denk einmal darüber nach. Peter schwamm arglos im Badesee herum.
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