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Die Pfeiler der Macht

Die Pfeiler der Macht

Titel: Die Pfeiler der Macht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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vereinbarten Vertragsunterzeichnung.
    Verzweifelt versuchte er, ein wenig Öl auf die Wogen zu gießen.
    »Solly, alter Junge, du weißt doch gar nicht, ob die Geschichte überhaupt stimmt ...«
    Solly drehte sich zu ihm um. Die Augen traten ihm aus den Höhlen, und der Schweiß lief ihm über das Gesicht. »So, das weiß ich nicht? Wo heute in jeder Zeitung steht, daß Joseph Pilaster die Peerswürde erhält, die eigentlich für Ben Greenbourne vorgesehen war?«
    »Und wenn schon ...«
    »Kannst du dir denn nicht vorstellen, was das für meinen Vater bedeutet?«
    Langsam begann Micky zu begreifen, was den Panzer von Sollys Liebenswürdigkeit gebrochen hatte. Solly tobte nicht um seiner selbst willen, sondern weil seinem Vater so übel mitgespielt worden war. Mit einem Bündel russischer Felle, einer Fünfpfundnote und einem Loch im Stiefel war Ben Greenbournes Großvater einst nach London gekommen. Ein Sitz im Oberhaus wäre für Ben die endgültige Bestätigung für die Akzeptanz seiner Familie in der Londoner Gesellschaft gewesen. Natürlich lag auch Joseph Pilaster daran, seine Karriere mit der Peerswürde zu krönen - schließlich hatte sich auch seine Familie mit Fleiß und Strebsamkeit emporgearbeitet -, nur bedeutete sie für einen Juden eben noch eine viel größere Errungenschaft. Die Erhebung Ben Greenbournes in den Adelsstand wäre nicht nur für ihn und seine Familie, sondern für die gesamte jüdische Gemeinde in England ein triumphaler Erfolg gewesen.
    »Ich kann auch nichts dafür, du bist nun mal ein Jude«, sagte Edward.
    Micky fuhr dazwischen. »Ihr beide solltet euch nicht durch eure Eltern auseinanderbringen lassen«, sagte er, »schließlich seid ihr bei einem umfangreichen Projekt Geschäftspartner ...«
    »Spiel doch nicht den Idioten, Miranda!« unterbrach ihn Solly mit einer Heftigkeit, die Micky zusammenzucken ließ. »Die Santamaria- Bahn und alle anderen Gemeinschaftsunternehmen mit der Greenbourne Bank könnt ihr euch ein für allemal aus dem Kopf schlagen. Wenn unsere Teilhaber erfahren, was da gelaufen ist, lassen sie sich nie wieder auf ein Geschäft mit den Pilasters ein.«
     
    Solly ging. Micky kam die Galle hoch, als er ihm nachsah. Nur allzu leicht vergaß man, wie mächtig diese Bankiers waren - vor allem der so harmlos wirkende Solly. Und doch genügte ein Wutanfall, um mit einem einzigen Satz alle Hoffnungen und Erwartungen Mickys vom Tisch zu wischen.
    »Unverschämter Kerl«, sagte Edward kleinlaut. »Typischer Jude eben.«
    Halt deine Klappe, hätte Micky am liebsten gesagt. Edward würde den geplatzten Vertrag überleben. Was ihn selbst betraf, so war sich Micky da keineswegs sicher. Papa würde in seiner Enttäuschung und Wut einen Sündenbock suchen - und dafür war Micky der erste Kandidat.
    Gab es wirklich gar keine Hoffnung mehr? Er versuchte, seiner abgrundtiefen Niedergeschlagenheit Herr zu werden, und begann zu überlegen. Bestand noch irgendeine Möglichkeit, Solly an der Aufkündigung des Vertrags zu hindern? Sobald die anderen Greenbournes erfuhren, was Solly ihnen mitzuteilen hatte, war das Projekt endgültig gestorben. War Solly noch umzustimmen? Micky mußte es zumindest versuchen. Er stand abrupt auf.
    »Wo willst du hin?« fragte Edward.
    Micky beschloß, Edward nicht in seinen Plan einzuweihen. »Ins Kartenzimmer«, sagte er. »Hast du nicht auch Lust auf ein kleines Spielchen?«
    »Doch, natürlich.« Edward wuchtete sich aus dem Sessel. Gemeinsam verließen sie das Zimmer.
    Vor der Treppe steuerte Micky auf die Toilette zu und sagte: »Geh schon rauf und warte auf mich!«
    Edward ging hinauf. Micky betrat die Garderobe, packte Hut und Stock und rannte durch den Haupteingang hinaus auf die Straße. Er spähte in beide Richtungen die Fall Mall entlang und geriet bei d e m Gedanken, Solly könne bereits außer Sichtweite sein, fast in Panik. Die Dämmerung hatte eingesetzt, und die Gaslaternen wurden angezündet. Solly schien wie vom Erdboden verschluckt zu sein - doch dann, endlich, entdeckte er ihn: In entschlossenem Watschelschritt bewegte sich seine massige Gestalt in Smoking und Zylinder auf den St. James's Palast zu. Knapp hundert Meter mochten zwischen ihnen liegen. Micky ging ihm nach.
    Er wollte Solly erklären, wie wichtig die Bahn für ihn und Cordoba war. Er wollte ihm klarmachen, daß er, Solly, im Begriff stand, Millionen verarmter Bauern für eine Tat zu bestrafen, die Augusta Pilaster begangen hatte. Solly hatte ein weiches Herz. Wenn er

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