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Die Pfeiler der Macht

Die Pfeiler der Macht

Titel: Die Pfeiler der Macht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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Konsequenzen. Plausible Gründe für eine Scheidung hatte er keine, war sich aber sicher, daß Nora - immer vorausgesetzt, man böte ihr genug Geld - in eine Scheidung einwilligen würde. Zu bedenken war, daß die Pilasters ihn zum Ausstieg aus der Bank zwingen würden, denn ein Teilhaber, dem das gesellschaftliche Stigma einer Scheidung anhaftete, war für sie untragbar. Eine andere Stellung zu finden wäre sicher kein Problem, nur war Hugh sich darüber im klaren, daß ihm fortan der gesellschaftliche Umgang mit allen Leuten verwehrt sein würde, die in London Rang und Namen hatten - und dies selbst dann, wenn er eines Tages Maisie heiratete. Es würde ihnen aller Wahrscheinlichkeit nach nichts anderes übrigbleiben, als ins Ausland zu gehen -eine Perspektive, die für Hugh nicht ohne Reiz war und von der er glaubte, daß auch Maisie daran Gefallen finden könnte. Sie konnten nach Boston ziehen oder - besser noch - nach New York. Zum Millionär würde er dort vielleicht nicht gerade - aber was bedeutete das schon angesichts der Genugtuung, endlich mit der geliebten Frau zusammenleben zu können?
    Unvermittelt stand er vor seinem eigenen Haus. Einen knappen Kilometer von Tante Augustas wesentlich extravaganterer Residenz am Kensington Gore entfernt, war es Teil einer eleganten neuen Häuserzeile aus rotem Backstein. Nora hielt sich vermutlich gerade in ihrem überladenen Schlafzimmer auf und kleidete sich an; es war in Kürze Mittagessenszeit. Wer oder was konnte ihn noch daran hindern, zu ihr zu gehen und ihr zu sagen, daß er sich entschlossen habe, sie zu verlassen?
    Dies und nichts anderes wollte er; er war sich seiner Sache sicher Aber war es moralisch zulässig? Entscheidend war das Kind. Allein um Maisies willen Nora zu verlassen wäre verwerflich. Doch um Berties willen durfte er es tun. Er fragte sich, wie Nora reagieren würde, und seine Vorstellungskraft lieferte ihm prompt die Antwort: Harte Entschlossenheit prägte ihre Miene, und in ihrer Stimme lag eine unangenehme Schärfe. Er glaubte ihre Worte exakt voraussagen zu können: »Das kostet dich deinen letzten Penny.« Seltsamerweise gab dieser Satz den Ausschlag. Ein anderes Bild - Nora tränenüberströmt und traurig - hätte ihn davon abgehalten, seinen Entschluß in die Tat umzusetzen. Doch er wußte, daß seine erste Vision der Wahrheit am nächsten kam. Er betrat das Haus und stürmte die Treppe hinauf. Nora stand vor dem Spiegel und legte gerade die Kette mit dem wertvollen Anhänger an, den er ihr geschenkt hatte. Eine bittere Erinnerung stieg in ihm auf. Ich muß ihr Juwelen kaufen, damit sie mit mir schläft ...
    Ehe er zu Wort kam, sagte Nora: »Ich habe eine Neuigkeit für dich.«
    »Später. Ich wollte dir ...«
    Aber sie ließ sich nicht unterbrechen. Ein merkwürdiger Ausdruck - halb triumphierend, halb schmollend - beherrschte ihr Gesicht.
    »Mein Bett ist jetzt erst mal eine Weile tabu für dich.« Er erkannte, daß er sie erst ausreden lassen mußte. »Was gibt's denn? Wovon redest du?« fragte er ungeduldig. »Das Unvermeidliche ist eingetreten.«
    Hugh fiel es wie Schuppen von den Augen, und die Erkenntnis traf ihn wie ein Schlag. Es war zu spät. Er konnte Nora nicht mehr verlassen. Widerwillen und ein schmerzliches Verlustgefühl bemächtigten sich seiner: Er hatte Maisie verloren. Und seinen Sohn.
    Er sah ihr in die Augen und erkannte Trotz und Häme in ihrem Blick - ganz, als hätte sie gewußt, was er im Schilde führte. Vielleicht weiß sie es wirklich, dachte er.
    Er zwang sich zu einem Lächeln. »Das Unvermeidliche?« Da sprach sie es aus: »Ich bekomme ein Kind.«
     

Teil III
    September 1890
     

1. Kapitel
     
    Joseph Pilaster starb im September 1890, nachdem er siebzehn Jahre lang den Posten des Seniorpartners der Bank innegehabt hatte. England war in jener Zeit stetig reicher geworden - und mit dem Land hatten auch die Pilasters ihren Reichtum gemehrt. Sie waren inzwischen fast so wohlhabend wie die Greenbournes. In Zahlen belief sich Josephs Nachlaß auf mehr als zwei Millionen Pfund, darunter eine Sammlung juwelenbesetzter Schnupftabakdosen, die allein ihre hunderttausend Pfund wert war. Joseph Pilaster vermachte die Kollektion seinem Sohn Edward. Sie umfaßte fünfundsechzig Einzelstücke - eines für jedes Lebensjahr des Verblichenen. Alle Familienmitglieder beließen ihr gesamtes Kapital in der Bank, was ihnen unverrückbar fünf Prozent Zinsen einbrachte, während sich normale Bankkunden meist mit um die

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