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Die Pfeiler der Macht

Die Pfeiler der Macht

Titel: Die Pfeiler der Macht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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ihren Platz.
    »Wie ihr alle wißt«, fuhr Hugh fort, »hat Nick vor, den Anwaltsberuf zu ergreifen, da er von den Erträgen seiner Güter nicht mehr leben kann.« Als Bankier war es Hugh vollkommen klar, warum Nicks Vater alles verloren hatte. Der Herzog war ein fortschrittlicher Gutsbesitzer gewesen, der während des Agrarbooms um die Jahrhundertmitte Geld aufgenommen hatte, um verschiedene Reformen und Verbesserungen durchzuführen. Er hatte feuchte Wiesen trocken gelegt, kilometerlange Hecken gerodet und teure dampfgetriebene Maschinen zum Dreschen, Mähen und Ernten angeschafft. In den siebziger Jahren war dann jedoch die große Agrarkrise über das Land hereingebrochen, die jetzt - zwanzig Jahre später - noch immer nicht überwunden war. Die Preise für Farmland waren abgestürzt, weshalb die herzoglichen Güter inzwischen weniger wert waren als die Hypotheken, die darauf lasteten.
    »Wenn es Nick allerdings gelänge, die Hypotheken, die wie ein Mühlstein um seinen Hals hängen, loszuwerden und eine rationelle Wirtschaftsweise einzuführen, so könnten die Ländereien durchaus einen beachtlichen Profit abwerfen. Es kommt, wie bei jedem Unternehmen, nur auf das richtige Management an.«
    »Ich habe vor, eine ganze Reihe der weit verstreuten Farmen und diverse andere Grundstücke zu verkaufen«, ergänzte Nick, »und mich voll auf den verbleibenden Rest zu konzentrieren. Außerdem möchte ich auf unserem Land in Sydenham südlich von London Häuser errichten.«
    »Nach unserer Kalkulation«, fügte Hugh hinzu, »könnten die Finanzen des Herzogtums mit hunderttausend Pfund ein für allemal saniert und umstrukturiert werden. Diese hunderttausend Pfund, Dotty, bekommst du von mir als Mitgift.«
    Dotty hielt die Luft an, und Mama brach in Tränen aus. Nick, dem die Summe bereits bekannt war, sagte: »Das ist wirklich sehr großzügig von Ihnen, Sir.« Dotty fiel ihrem Bräutigam um den Hals und küßte ihn, dann lief sie um den Tisch herum und tat das gleiche mit Hugh. Dem war der schwesterliche Gefühlsausbruch ein wenig peinlich; gleichzeitig war er jedoch froh darüber, daß er die beiden so glücklich machen konnte. Er war sehr zuversichtlich, daß Nick vernünftig mit dem Geld umgehen und Dotty ein sicheres und geborgenes Heim bieten würde. Nun kam auch Nora die Treppe herunter. Sie trug aus Anlaß der Trauerfeier ein schwarzviolettes Bombasinkleid. Das Frühstück hatte sie, wie immer, allein in ihrem Zimmer eingenommen. »Wo sind denn diese Bengel schon wieder?« fragte sie gereizt und schaute auf die Uhr. »Ich habe der elenden Gouvernante doch ausdrücklich aufgetragen, sie pünktlich fertig zu machen ...« Sie verstummte, weil in diesem Augenblick die Gouvernante mit den Kindern erschien - dem elfjährigen Toby, d e m sechsjährigen Sam und dem vierjährigen Sol, alle in schwarzem Frack, mit schwarzer Krawatte und einem kleinen Zylinder auf dem Kopf. Hugh empfand heimlichen Stolz. »Meine kleinen Soldaten«, sagte er und wandte sich an seinen Ältesten: »Toby, wie hoch ist doch gleich der Diskontsatz der Bank of England von gestern abend?«
    »Unverändert bei zweieinhalb Prozent, Sir«, antwortete Tobias, zu dessen Pflichten es gehörte, sich jeden Morgen in der Times darüber zu informieren.
    Sam, der mittlere, brannte darauf, eine Neuigkeit loszuwerden.
    »Mama, ich habe ein Haustier!« rief er aufgeregt. »Davon hast du mir noch gar nichts erzählt«, warf die Gouvernante betroffen ein.
    Sam zog eine Streichholzschachtel aus der Tasche, streckte sie seiner Mutter entgegen und öffnete sie. »Billy, der Spinnerich!« sagte er stolz.
    Nora kreischte auf, schlug ihm die Schachtel aus der Hand und sprang entsetzt zurück. »Du scheußlicher Kerl, du!« schrie sie. Sam krabbelte auf der Suche nach der Schachtel auf dem Boden herum.
    »Billy ist fort!« rief er und brach in Tränen aus, während Nora wutentbrannt die Gouvernante anfuhr.
    »Wie können Sie zulassen, daß er solches Ungeziefer mit sich herumschleppt?«
    »Es tut mir leid, aber ich wußte ja gar nicht ...«
    »Es ist ja niemandem etwas passiert«, mischte sich Hugh beschwichtigend ein und legte Nora den Arm um die Schultern. »Du bist erschrocken, das ist alles.« Er scheuchte sie alle in den Flur. »Kommt jetzt, es ist Zeit. Wir müssen gehen!« Auf dem Weg hinaus legte er Sam die Hand auf die Schulter und sagte: »Ich hoffe, Sam, du weißt nun, daß man eine Lady nicht erschrecken darf.«
    »Ich hab' mein Haustier verloren«, erwiderte

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