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Die Pfeiler der Macht

Die Pfeiler der Macht

Titel: Die Pfeiler der Macht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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ebenso unerschöpflich wie ihre Bosheit. Und dann war da eben auch noch Edward, der jetzt neben Augusta in der ersten Bankreihe saß. Rotgesichtig und im Laufe der Jahre sehr füllig geworden, litt er seit einiger Zeit an einem Hautausschlag, der sein Äußeres stark beeinträchtigte. Mangels Intelligenz und Fleiß hatte er in den siebzehn Jahren seiner Tätigkeit für die Bank kaum etwas dazugelernt. Nie erschien er vor zehn Uhr morgens im Büro. Gegen Mittag begab er sich zum Essen, und es geschah sehr oft, daß er danach gar nicht mehr in die Bank zurückkehrte. Da er schon zum Frühstück Sherry trank, war er selbst tagsüber nie ganz nüchtern. In beruflichen Dingen verließ er sich voll und ganz auf Simon Oliver, seinen Sekretär und Bürovorsteher, der ihn vor Schlimmerem bewahrte. Edward war als Seniorpartner unvorstellbar.
    An Edwards Seite hatte seine Frau Platz genommen, was selten genug geschah, denn die beiden lebten weitgehend getrennt. Edward wohnte bei seiner Mutter in Whitehaven House, während Emily sich in ihr Landhaus zurückgezogen hatte und nur noch zu zeremoniellen Anlässen - wie beispielsweise Beerdigungen - nach London kam. Emily war einst ein bildhübsches Mädchen mit großen blauen Augen und einem entzückenden, kindlich anmutenden Lächeln gewesen, doch mittlerweile hatte sich die Enttäuschung in ihr Gesicht eingegraben. Kinder hatten die beiden keine, und Hugh hatte den Eindruck, daß sie einander haßten. Neben Emily saß, teuflisch adrett in grauem Mantel mit schwarzem Nerzkragen, Micky Miranda, vor dem sich Hugh fürchtete, seit er herausgefunden hatte, daß er der Mörder Peter Middletons war. Edward und Micky waren nach wie vor unzertrennlich, und Micky war an vielen Südamerikageschäften, die die Bank in den vergangenen zehn Jahren finanziert hatte, beteiligt. Die Trauerfeier zog sich schier endlos in die Länge, und die Prozession von der Kirche zum Friedhof dauerte über eine Stunde, weil Hunderte von Kutschen dem Leichenwagen folgten. Währenddessen prasselte unaufhörlich der Septemberregen nieder.
    Hugh beobachtete Augusta, als der Sarg mit den sterblichen Überresten ihres Mannes in die Grube gelassen wurde. Sie stand unter einem großen Regenschirm, den Edward über sie hielt. Ihr Haar war wie reines Silber, und sie trug einen riesigen schwarzen Hut, der ihr ausgezeichnet stand. Nun, da sie ihren Lebensgefährten verloren hat, müßte sie eigentlich menschliche Züge zeigen und Mitleid erregen, dachte Hugh. Aber das stolze Gesicht sah aus wie gemeißelt und erinnerte an die Marmorbüste eines römischen Senators. Von Trauer keine Spur.
    Nach dem Begräbnis fand in Whitehaven House ein Essen statt, zu dem der erweiterte Familienkreis der Pilasters, alle Teilhaber der Bank, samt Frauen und Kindern, sowie enge Geschäftspartner und langjährige Freunde der Familie - wie Micky Miranda - geladen waren. Damit alle gemeinsam speisen konnten, hatte Augusta zwei lange Eßtische an den Schmalseiten zusammenstellen lassen.
    Hugh betrat die Villa zum erstenmal seit ein oder zwei Jahren. Das Interieur war - einmal mehr - vollkommen ausgewechselt worden und nun ganz im arabischen Stil gehalten, der seit kurzem als der letzte Schrei galt. Die Türöffnungen waren mit maurischen Bögen und das Mobiliar mit geschnitztem Gitterwerk versehen. Bunte islamische Muster schmückten die Polster, und im Salon, in dem das Essen stattfand, gab es einen arabischen Wandschirm und ein Koranpult zu bewundern.
    Augusta ließ Edward im Stuhl seines Vaters Platz nehmen, eine Geste, die Hugh ziemlich taktlos fand. Damit führt sie ihn gnadenlos vor, dachte er. Jeder erkennt auf den ersten Blick, daß ihm die Schuhe seines Vaters ein paar Nummern zu groß sind. Joseph war ein unberechenbarer Chef, aber kein Dummkopf gewesen. Augusta indessen tat nichts ohne Berechnung, und so war es auch diesmal. Überfallartig, wie es für sie typisch war, sagte sie gegen Ende des Trauerbanketts: »Wir brauchen nun so schnell wie möglich einen neuen Seniorpartner. Es kann kein Zweifel daran bestehen, daß die Wahl auf Edward fallen wird.«
    Hugh war schlichtweg entsetzt. Gewiß, Augusta hatte schon mehrfach bewiesen, daß sie, was ihren Sohn betraf, mit Blindheit geschlagen war. Dennoch kam dieser Vorstoß völlig unerwartet. Damit kommt sie nie durch, dachte er, war aber trotzdem beunruhigt über die Kühnheit, mit der sie ihren abwegigen Vorschlag gemacht hatte.
    Totenstille herrschte im Raum, und Hugh merkte schnell,

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