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Die Pfeiler der Macht

Die Pfeiler der Macht

Titel: Die Pfeiler der Macht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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»Jungmädchengefühle« hielt. Seit Josephs Tod waren sie sogar eher noch stärker geworden. Berührte Micky Miranda ihren Arm, sah er ihr tief in die Augen, oder ruhte seine Hand, wenn er ihr an einer Tür den Vortritt ließ, sekundenlang auf ihrer Hüfte, so durchfloß sie heftiger denn je ein mit Schwäche gepaartes Wohlgefühl, von dem ihr geradezu schwindelig wurde. Micky ging ihr auch nicht aus dem Sinn, als sie im Spiegel des Empfangszimmers ihr Ebenbild betrachtete. Wir sind uns so ähnlich, dachte sie, selbst von unserem Teint her. Wir hätten wunderhübsche dunkeläugige Babys haben können ... Sie hing noch ihren Gedanken nach, als ihr blauäugiges blondes Baby das Zimmer betrat. Edward sah nicht gut aus. Aus dem untersetzten, stämmigen Mann war ein Fettwanst geworden. Er litt an einer Hautkrankheit, und weil er schon zum Mittagessen zu tief ins Weinglas zu schauen pflegte, war er zur Teestunde oft schlechter Laune.
    Augusta hatte etwas Wichtiges mit ihm zu besprechen und nicht die Absicht, es ihm leichtzumachen. »Emily hat dich, wie ich höre, um die Annullierung der Ehe gebeten«, sagte sie. »Warum?«
    »Sie will wen anders heiraten«, antwortete Edward teilnahmslos.
    »Das kann sie nicht - sie ist mit dir verheiratet!«
    »Wie man's nimmt«, erwiderte Edward.
    Was sagte er da? Sosehr sie ihren Sohn liebte - manchmal konnte er sie zur Weißglut treiben. »Red keinen Unsinn!« fuhr sie ihn an.
    »Selbstverständlich ist sie mit dir verheiratet!«
    »Ich habe sie nur geheiratet, weil du es von mir verlangt hast. Und sie willigte bloß ein, weil ihre Eltern sie dazu zwangen. Geliebt haben wir uns nie und
    ...« Nach kurzem Zögern platzte es aus ihm heraus: »Die Ehe ist niemals vollzogen worden.« Da also lag der Hase im Pfeffer! Daß Edward die Unverfrorenheit besaß, so unverblümt über den Geschlechtsverkehr zu reden, überraschte Augusta: So etwas gehörte sich nicht in Anwesenheit einer Dame. Daß die Ehe nur auf dem Papier existierte, erstaunte sie weniger; sie vermutete es seit Jahren. Gleichviel - sie war nicht bereit, Emily das durchgehen zu lassen.
    »Wir können keinen Skandal brauchen«, sagte sie mit fester Stimme.
    »Das wäre doch kein Skandal ...«
    »Natürlich wäre es einer!« blaffte sie, empört über seine Kurzsichtigkeit. »Die ganze Stadt würde ein Jahr lang über nichts anderes reden, und für die billigen Journale wäre es ein gefundenes Fressen!«
    Edward war jetzt immerhin Lord Whitehaven. Die Wochenzeitungen, die sich die D o mestiken kauften, lechzten geradezu nach schlüpfrigen Sensationen, die sich um Mitglieder des Oberhauses rankten.
    »Aber glaubst du denn nicht auch, daß Emily ein gewisses Recht auf Freiheit hat?« fragte Edward zerknirscht. Augusta ignorierte seinen schwachen Appell an die Gerechtigkeit. »Kann sie dich zu irgend etwas zwingen?«
    »Sie möchte, daß ich ein Dokument unterschreibe, in dem ich zugebe, daß die Ehe nie vollzogen wurde. Danach geht das offenbar alles ganz glatt.«
    »Und wenn du nicht unterschreibst?«
    »Dann wird es schwieriger. Solche Dinge lassen sich nicht leicht beweisen.«
    »Damit ist die Sache erledigt. Wir brauchen uns keine Sorgen mehr zu machen und können dieses peinliche Thema endgültig ad acta legen.«
    »Aber ...«
    »Sag ihr, daß eine Annullierung nicht in Frage kommt. Ich wünsche absolut nichts mehr davon zu hören.«
    »Sehr wohl, Mutter.«
    Mit dieser raschen Kapitulation hatte Augusta nicht gerechnet. Zwar setzte sie meistens ihren Willen durch, doch leistete Edward normalerweise erheblich härteren Widerstand. Er mußte andere Probleme haben. »Was hast du denn auf dem Herzen, Teddy?« fragte sie ihn in sanfterem Ton.
    Er seufzte schwer. »Hugh hat mir da was Scheußliches erzählt«, sagte er. »Was?«
    »Er behauptet, daß Micky Solly Greenbourne umgebracht hat.« Eine grausige Faszination erfaßte Augusta und jagte ihr einen Schauer über den Rücken. »Wie das? Solly wurde doch überfahren.«
    »Hugh sagt, daß Micky ihn vor die Kutsche gestoßen hat.«
    »Glaubst du ihm das?«
    »Micky war an jenem Abend mit mir zusammen, aber es kann sein, daß er sich für ein paar Minuten davongestohlen hat. Ja, ich halte es für möglich. Du auch, Mutter?«
    Augusta nickte. Micky war ebenso gefährlich wie kühn - daher rührte ja seine magische Anziehungskraft. Ein derart verwegener Mordanschlag war ihm ohne weiteres zuzutrauen - und es paßte auch zu ihm, daß er offenbar ungeschoren davongekommen war.
    »Ich kann

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