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Die Pfeiler der Macht

Die Pfeiler der Macht

Titel: Die Pfeiler der Macht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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nicht beleidigend klingen. Doch zum Schluß kamen ihm alle Sätze, die er sich zurechtgelegt hatte, gekünstelt vor. Ich sage ihm unverblümt die Wahrheit und hoffe aufs Beste, dachte er, als die Droschke vor dem Cowes Club hielt.
    Es war noch ziemlich früh, und Edward saß mutterseelenallein im Raucherzimmer vor einem großen Glas Madeira. Sein Ausschlag hatte sich verschlimmert; wo der Hemdkragen am Hals scheuerte, war die Haut rot wie rohes Fleisch. Hugh setzte sich zu Edward an den Tisch und bestellte sich einen Tee. Als kleiner Junge hatte er Edward leidenschaftlich gehaßt, weil der sich wie ein Biest und wie ein Despot aufführte. Seit einigen Jahren jedoch betrachtete er seinen Vetter eher als Opfer. Edward war so geworden, wie er war, weil er unter dem Einfluß von zwei von Grund auf bösartigen Menschen stand, Augusta und Micky. Augusta hatte ihn unterdrückt, und Micky hatte ihn verdorben. Edwards Haltung ihm gegenüber war unterdessen keineswegs toleranter geworden, und so ließ er Hugh jetzt auch fühlen, daß er an seiner Tischgesellschaft nicht interessiert war. »Für eine Tasse Tee hättest du nicht so weit zu fahren brauchen«, sagte er. »Was willst du?«
    Ein schlechter Start, dachte Hugh, aber daran läßt sich nun auch nichts mehr ändern. Er war sehr pessimistisch gestimmt. »Ich muß dir etwas sagen, was dich sehr schockieren und entsetzen wird«, begann er. »So?«
    »Es wird dir schwerfallen, es zu glauben, aber es entspricht alles der Wahrheit. Ich halte Micky Miranda für einen Mörder.«
    »Herrgott noch mal, verschon mich mit solchem Blödsinn!« gab Edward ärgerlich zurück.
    »Hör mir erst einmal zu, bevor du das so einfach von dir weist«, sagte Hugh. »Ich verlasse die Bank, und du bist Seniorpartner. Ich wüßte nicht, wofür ich noch kämpfen sollte. Aber ich habe gestern etwas herausgefunden: Solly Greenbourne hat gewußt, daß deine Mutter hinter der Pressekampagne gegen seinen Vater steckte.«
    Edward schreckte unwillkürlich auf, als stimmten Hughs Worte mit etwas überein, was ihm längst bekannt war. Hugh schöpfte ein wenig Hoffnung. »Ich bin auf der richtigen Spur, wie?« Er ließ es auf einen Versuch ankommen. »Solly hat gedroht, den Vertrag über die Santamaria-Bahn platzen zu lassen, stimmt's?« Edward nickte.
    Bemüht, sich seine Erregung nicht anmerken zu lassen, beugte Hugh sich vor.
    »Ich saß mit Micky hier, genau an diesem Tisch, als Solly hereinkam«, berichtete Edward. »Er war fuchsteufelswild. Aber ...«
    »Und an jenem Abend starb Solly.«
    »Ja, aber Micky war die ganze Zeit bei mir. Wir spielten Karten.
    Später sind wir dann zu Nellie's gegangen.«
    »Er muß sich vorübergehend entfernt haben, nur für ein paar Minuten.«
    »Nein ...«
    »Ich sah ihn, wie er den Club betrat. Es war ziemlich genau zu dem Zeitpunkt, als Solly starb.«
    »Das muß früher gewesen sein.«
    »Vielleicht ist er zur Toilette gegangen oder so etwas ...«
    »Das hätte ihm kaum genug Zeit verschafft.« Edwards Miene verriet entschlossene Skepsis.
    Hughs Hoffnungen zerstoben. Einen Moment lang war es ihm gelungen, Zweifel in Edwards Brust zu säen, aber sie waren nicht von Dauer.
    »Du hast den Verstand verloren«, fuhr Edward fort. »Micky ist kein Mörder. Allein die Vorstellung ist absurd.« Hugh entschloß sich, nun auch mit der Wahrheit über Peter Middleton herauszurücken. Es war ein Akt der Verzweiflung, denn wenn Edward Micky den Mord an Solly nicht zutraute - warum sollte er dann glauben, daß Micky vor vierundzwanzig Jahren Peter Middleton ermordet hatte? Aber Hugh mußte es zumindest versuchen. »Micky hat auch Peter Middleton auf dem Gewissen«, sagte er, obwohl er genau wußte, wie ungeheuerlich dieser Vorwurf klingen mußte. »Das ist doch lächerlich!«
    »Du bildest dir ein, du hättest ihn getötet, ich weiß. Du hast Peter ein paarmal untergetaucht und dann Tonio nachgesetzt. Du denkst, daß Peter das Ufer nicht mehr erreichte, weil er zu erschöpft war. Aber da gibt es noch etwas, was du nicht weißt.« Trotz seiner Skepsis war Edward neugierig. »Und das wäre?«
    »Peter war ein sehr guter Schwimmer.«
    »Er war ein Schwächling!«
    »Ja - aber er hatte den ganzen Sommer über schwimmen geübt, jeden Tag. Er war dünn und schmächtig, das ist schon richtig, aber schwimmen konnte er meilenweit. Und er ist damals auch problemlos ans Ufer gekommen. Tonio hat es gesehen.«
    »Was ...« Edward schluckte. »Was hat Tonio noch gesehen?«
    »Während du die Wand

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