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Die Pfeiler der Macht

Die Pfeiler der Macht

Titel: Die Pfeiler der Macht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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des Steinbruchs hinaufgeklettert bist, drückte Micky Peters Kopf so lange unter Wasser, bis der Junge ertrunken war.«
    Zu Hughs Erstaunen unterließ es Edward, die Darstellung empört zurückzuweisen. Statt dessen sagte er: »Warum hast du mir das so lange verschwiegen?«
    »Ich dachte, du würdest mir ohnehin nicht glauben. Und ich erzähle es dir heute auch nur aus Verzweiflung, um dich von dieser neuesten Cordoba-Investition abzubringen.« Er studierte aufmerksam Edwards Miene und fuhr fort: »Du glaubst mir doch, oder?«
    Edward nickte. »Warum?«
    »Weil ich weiß, warum er's getan hat.«
    »Und?« Hugh war aufs höchste gespannt. Die Frage nach dem Tatmotiv bewegte ihn seit vielen Jahren. »Warum hat Micky Peter umgebracht?«
    Edward trank einen großen Schluck Madeira und schwieg. Hugh fürchtete schon, sein Vetter könne sich weigern, überhaupt noch etwas zu sagen, aber schließlich antwortete Edward doch: »In Cordoba sind die Mirandas eine wohlhabende Familie, aber hier bei uns können sie sich mit ihrer Währung kaum etwas kaufen. Als Micky nach Windfield kam, verbrauchte er innerhalb von ein paar Wochen sein Taschengeld, das für das ganze Schuljahr hätte reichen sollen. Aber er hatte mit dem angeblichen Reichtum seiner Familie ungeheuer angegeben und war nun viel zu stolz, um die Wahrheit einzugestehen. Na ja, als ihm das Geld ausging, beschaffte er sich eben neues ... Er stahl.«
    Hugh erinnerte sich gut an den Skandal, der im Juni 1866 die Schule erschüttert hatte. »Da waren doch diese sechs Goldsovereigns, die Mr. Offerton gestohlen wurden«, sagte er nachdenklich. »Demnach war Micky der Dieb?«
    »Ja.«
    »Verdammt!«
    »Und Peter wußte Bescheid.«
    »Wie das?«
    »Er bekam zufällig mit, wie Micky Offertons Arbeitszimmer verließ. Als der Diebstahl bekannt wurde, zog er natürlich seine Schlüsse. Er drohte, Micky anzuschwärzen, falls dieser sich nicht zu seiner Tat bekannte. Daß wir ihn unten am Badesee erwischten, hielten wir für einen glücklichen Zufall. Ich hab' ihn untergetaucht, um ihm ein bißchen Angst einzujagen. Er sollte das Maul halten. Aber ich hätte natürlich nie gedacht ...«
    »... daß Micky ihn umbringen würde.«
    »Und all die Jahre über hat er mich in dem Glauben gehalten, ich wäre schuld an Peters Tod und er hätte mich gedeckt«, sagte Edward und fügte hinzu: »Dieses Schwein!«
    Hugh merkte, daß es ihm, allen Erwartungen zum Trotz, gelungen war, Edwards Vertrauen in Micky zu erschüttern. J et z t, wo du Bescheid weißt, schlag dir die s en Hafen in Santamaria aus dem Kopf, war er versucht zu sagen. Aber er verzichtete darauf. Er durfte sein Blatt nicht überreizen. Im Grunde hatte er alles gesagt, was zu sagen war; Edward sollte daraus seine eigenen Schlüsse ziehen. Hugh erhob sich. »Tut mir leid, daß ich dir einen solchen Schock versetzt habe«, sagte er.
    Edward war tief in Gedanken versunken. Er rieb sich seinen juckenden Hals. »Ja«, sagte er unbestimmt. »Ich muß gehen.«
    Edward antwortete nicht mehr. Er schien Hughs Anwesenheit völlig vergessen zu haben und starrte in sein Glas. Als Hugh genau hinsah, erkannte er, daß Edward weinte. Ruhig verließ er das Zimmer und schloß die Tür hinter sich.
     
    Augusta genoß ihr Witwendasein, was nicht zuletzt daran lag, daß Schwarz ihr ausgezeichnet stand. Mit ihren dunklen Augen, dem Silberhaar und den schwarzen Brauen bot sie in Trauerkleidung eine durchaus eindrucksvolle Erscheinung.
    Joseph war jetzt schon vier Wochen tot, und Augusta gestand sich ein, daß sie ihn eigentlich kaum vermißte. Sicher, es war ein bißchen eigenartig, daß nun niemand mehr da war, bei dem sie sich beschweren konnte, wenn sie in der Bibliothek Staubflusen entdeckte oder das Rindfleisch nicht gut durchgebraten war. Ein- oder zweimal in der Woche speiste sie allein zu Abend, was ihr jedoch nicht schwerfiel, da sie mit ihrer eigenen Gesellschaft schon immer gut zurechtgekommen war. Den Status der Ehefrau des Seniorpartners besaß sie nun zwar nicht mehr, aber dafür war sie die Mutter des Seniorpartners und die verwitwete Gräfin von Whitehaven. Alles, was Joseph ihr im Laufe ihrer langen Ehe geschenkt hatte, stand ihr zur Verfügung - nur eben er selbst nicht mehr. Aber das empfand sie eher als Erleichterung. Wenn sie wollte, konnte sie auch noch einmal heiraten. Augusta war achtundfünfzig Jahre alt. Kinder konnte sie keine mehr bekommen, aber sie hatte noch immer gewisse Sehnsüchte, die sie für

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