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Die Pfeiler der Macht

Die Pfeiler der Macht

Titel: Die Pfeiler der Macht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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Finanzwelt inzwischen allgemein bekannt. Die große Feier sorgte für Vertrauen, weil es vor aller Augen bewies, daß die Pilasters noch immer unvorstellbar reich waren. Ein bescheidenes Hochzeitsfest hätte die Leute mißtrauisch gemacht.
    Dottys Mitgift in Höhe von einhunderttausend Pfund war bereits ihrem Ehemann überschrieben worden, blieb aber vorerst der Bank als mit fünf Prozent verzinsbare Einlage erhalten. Nick konnte das Geld abheben, aber er benötigte nicht alles auf einmal. Er würde darauf zurückgreifen, wenn Hypothekentilgungen und Ausgaben für die Umgestaltung seiner Güter anstanden. Hugh war heilfroh, daß sein Schwager das Geld nicht sofort in bar haben wollte, denn zu viele hohe Auszahlungen konnte die Bank in der gegenwärtigen Situation nicht verkraften. Daß Dotty eine riesige Mitgift in die Ehe einbrachte, war allgemein bekannt. Es war Hugh und Nick nicht gelungen, die Transaktion völlig geheimzuhalten, und so hatte sie sich schnell herumgesprochen; inzwischen sprach ganz London darüber. Hugh schätzte, daß auch gut die Hälfte der Hochzeitsgäste an den Tischen darüber diskutierte.
    Er sah in die Runde. Sein Blick blieb auf der einzigen Person unter den Geladenen haften, die an diesem Tag nicht glücklich war. Deplaziert wie ein Eunuch auf einer Orgie, verfolgte sie das Geschehen mit Leichenbittermiene. Es war Tante Augusta.
     
    »Die Londoner Gesellschaft ist gänzlich degeneriert«, sagte Augusta zu Colonel Mudeford.
    »Ich fürchte, Sie könnten recht haben, Lady Whitehaven«, murmelte der Angesprochene höflich.
    »Der gute Stall zählt heutzutage überhaupt nichts mehr«, fuhr Augusta fort. »Überall haben jetzt sogar schon Juden Zutritt.«
    »So ist es.«
    »Ich war die erste Gräfin Whitehaven, doch darf man nicht vergessen, daß die Familie Pilaster bereits seit hundert Jahren hoch angesehen war, ehe ihnen der Titel verliehen wurde. Heutzutage kann der Sohn eines Hilfsarbeiters mit der Peerswürde rechnen, bloß weil er als Wurstverkäufer ein Vermögen verdient hat.«
    »In der Tat.« Colonel Mudeford wandte sich an die Dame zu seiner Linken. »Darf ich Ihnen noch etwas Johannisbeersoße reichen, Mrs. Telston?«
    Augusta verlor das Interesse an ihm. Sie kochte innerlich vor Wut über das Spektakel, an dem teilzunehmen sie gezwungen war. Hugh Pilaster, der Sohn des Bankrotteurs Tobias Pilaster, bewirtete dreihundert Gäste mit Chateau Margaux; Lydia Pilaster, Tobias' Witwe, an der Seite des Herzogs von Norwich; Dorothy Pilaster, die Tochter, verheiratet mit Vicomte Ipswich und versehen mit der größten Mitgift aller Zeiten; ihr eigener Sohn Teddy dagegen, Nachkomme des großen Joseph Pilaster, als Seniorpartner entlassen, stand kurz vor der Annullierung seiner Ehe. Es gab keine verbindlichen Regeln mehr. Selbst ein Niemand konnte in die höchsten Kreise der Gesellschaft aufsteigen! Wie zum Beweis ihrer These erspähte Augusta in diesem Augenblick jene Person, die sie für den schlimmsten Emporkömmling von allen hielt: Mrs. Solly Greenbourne, vormals Maisie Robinson. Eine Unverschämtheit, daß Hugh sie eingeladen hatte! Das Leben dieser Frau war doch ein einziger Skandal! Fing praktisch als Hure an, war dann Ehefrau des reichsten Juden von London und leitete jetzt eine Klinik, in der Weiber, die keinen Deut besser waren als sie selber, lauter Bastarde zur Welt brachten ... Doch da am Nebentisch saß sie, in einem Kleid von der Farbe eines neuen Kupferpennys, und plaudert allen Ernstes mit dem Direktor der Bank von England! Wahrscheinlich redete sie wieder über unverheiratete Mütter. Und er hörte ihr sogar zu!
     
    »Versetzen Sie sich doch einmal in die Lage eines ledigen Dienstmädchens«, sagte Maisie zu dem Direktor und erntete dafür einen so verdatterten Blick, daß sie sich ein Grinsen verkneifen mußte. »Denken Sie einmal über die Konsequenzen einer möglichen Mutterschaft nach: Sie verlieren Ihre Stelle und Ihr Dach über dem Kopf. Sie wissen, daß Sie mittellos sein werden und daß Ihr Kind ohne Vater aufwachsen wird. Würden Sie da auf den Gedanken kommen zu sagen: ›Ach, ich kann ja in dem netten Krankenhaus von Mrs. Greenbourne in Southwark entbinden. Also kann ich mir ruhig ein Kind anlachen.‹? Nein, so würden Sie bestimmt nicht denken. Mein Krankenhaus verführt die Mädchen nicht zur Unmoral. Wir sorgen bloß dafür, daß sie ihr Kind nicht in der Gosse zur Welt bringen müssen.«
    Nun schaltete sich auch Dan Robinson ein, der zur Linken seiner

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